Leitsatz
1. Bekundet jemand einem anderen gegenüber seine Bereitschaft, mit seinen persönlichen Beziehungen bei einer geschäftlichen Transaktion behilflich zu sein und erhält er dafür eine Provision, so ist dieses Verhalten nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar.
2. Auf eine Ermittlungspflichtverletzung des FA kann sich gegenüber einer Änderung des Bescheids nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht berufen, wer den Sachverhalt ganz bewusst falsch darlegt und bei dem FA daher einen Irrtum über einen tatsächlichen Geschehensablauf hervorruft.
Normenkette
§ 22 Nr. 3 EStG , § 173 Abs. 2 Nr. 1 AO , § 96 Abs. 1 FGO
Sachverhalt
Die Klägerin, die im Übrigen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit erzielt, stellte der X-Versicherung (X) für ihre "Bemühungen im Zusammenhang Projekt ... vereinbarungsgemäß" 5 Mio. DM in Rechnung. Die Zahlung stand im Zusammenhang mit dem Interesse der X am Erwerb eines bestimmten Grundstücks, von dem die Klägerin durch den mit ihr befreundeten Rechtsberater (R) der X erfahren hatte. Ihre Mitteilung, eine Jugendfreundin des Vorstandsvorsitzenden der Grundstückseigentümerin zu sein, gab R der mit dem Grundstückserwerb beauftragten GmbH mit der Bemerkung bekannt, die Klägerin könne möglicherweise für den beabsichtigten Grundstückserwerb nützlich sein. Nach entsprechender Information der X sagte diese der Klägerin ein "Betreuungshonorar" von 5 % "im Erfolgsfalle" zu; dies akzeptierte die Klägerin. Im Zusammenhang mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags vereinbarten die Klägerin, die GmbH und X, die Provision auf 5 Mio. DM festzuschreiben.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte die Klägerin neben unstreitigen Einkünften Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 70.842 DM (gegenüber 6.800 DM im Vorjahr). Das Formular war zu den Einkünften aus Leistungen im Erklärungsfeld nicht ausgefüllt, enthielt jedoch im Fragebereich nach Einkünften aus sonstigen Leistungen den Hinweis "(X entf.)". In ihrer Vermögensteuererklärung zum 1.1.1993 wies die Klägerin "Festgeld (X)" in Höhe von 5.038.541 DM aus. Auf die Aufforderung des FA, die Steigerung ihrer Zinseinnahmen zu erklären, erklärte sie, im Zusammenhang mit X, einer Lebensversicherung, sei es "zu einem Vermögensanfall gekommen, der die erklärten Zinsen bei der Wiederanlage auslöste".
Den zunächst erklärungsgemäß erlassenen und bestandskräftig gewordenen Einkommensteuerbescheid änderte das FA aufgrund einer Steuerfahndungsprüfung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO, indem es die vereinnahmte Provision der Einkommensteuer unterwarf. Einspruch, Klage und Revision der Klägerin hatten keinen Erfolg.
Entscheidung
Der Sache nach hat der BFH im Streitfall einen entgeltlichen Vertrag i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG über eine Provisionszahlung für die Bereitschaft zur Nutzung privater Beziehungen angenommen. Der Einkommensteuerbescheid habe unabhängig von einer Verletzung der Ermittlungspflicht des FA geändert werden können, weil die Klägerin ihre Mitwirkungspflicht durch die unterlassene Offenbarung des zweifelhaften Sachverhalts verletzt habe.
Hinweis
1. Gegenstand eines entgeltlichen Vertrags i.S.d. § 22 Nr. 3 EStG (vgl. BFH, Urteil vom 18.12.2001, IX R 74/98, BFH/NV 2002, 643, m.w.N.) kann auch die Bereitschaft sein, persönliche Beziehungen zur Förderung von Geschäften des Vertragspartners mit Dritten zu nutzen, sofern schon für diese Bereitschaft (ohne weitere tatsächliche Leistungen) eine provisionsähnliche Vergütung gezahlt werden soll. Der Zusammenhang von Leistung und Provision markiert den Unterschied zur bloßen Teilnahme an einem Glücksspiel, die lediglich die "Chance" vermittelt, bei dem Spiel auch zu gewinnen (vgl. dazu BFH, Beschluss vom 14.5.1997, XI B 145/96, BFH/NV 1997, 658).
2. Ein ohne Berücksichtigung eines solchen Sachverhalts ergangener Einkommensteuerbescheid kann nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO trotz eines Ermittlungsfehlers des FA geändert werden, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflicht durch bewusst verschleiernde Angaben nicht erfüllt hat (BFH, Urteil vom 24.1.2002, XI R 2/01, BFH-PR 2002, 213).
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 20.4.2004, IX R 39/01