Leitsatz
Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind auch die Prozesskosten vom Abzug ausgeschlossen, die für die Führung eines Rechtsstreits – hier eines Strafverfahrens – eines Dritten (beispielsweise eines Angehörigen) aufgewendet worden sind.
Normenkette
§ 33 Abs. 2 Sätze 1 und 4 EStG
Sachverhalt
Die Kläger wurden im Streitjahr (2017) als Ehegatten zur ESt zusammen veranlagt. In ihrer ESt-Erklärung begehrten sie den Abzug von Strafverteidigungskosten für ihren im Jahr 1999 geborenen Sohn als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG. Das FA lehnte den Ansatz dieser Aufwendungen ab. Der Einspruch der Kläger hatte keinen Erfolg. Die daraufhin erhobene Klage wies das FG ab (Hessisches FG, Urteil vom 11.3.2020, 9 K 1344/19, Haufe-Index 13792243, EFG 2020, 936).
Entscheidung
Die Revision der Kläger hat der BFH als unbegründet zurückgewiesen.
Hinweis
1. Nach § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG sind Aufwendungen für die Führung eines Rechtsstreits (Prozesskosten) seit dem VZ 2013 vom Abzug als außergewöhnliche Belastung ausgeschlossen, es sei denn, es handelt sich um Aufwendungen, ohne die der Steuerpflichtige Gefahr liefe, seine Existenzgrundlage zu verlieren und seine lebensnotwendigen Bedürfnisse in dem üblichen Rahmen nicht mehr befriedigen zu können.
2. Dieses Abzugsverbot greift auch, wenn Kosten eines Strafverfahrens in Rede stehen. Denn der Begriff "Rechtsstreit" erfasst nicht nur das formale, kontradiktorische Verfahren zwischen Privatpersonen (Zivilprozess), sondern jedenfalls jedes gerichtliche Verfahren, insbesondere vor Verwaltungs-, Finanz- und Strafgerichten (BFH, Urteil vom 18.5.2017, VI R 9/16, BFH/NV 2017, 1373, BFH/PR 2017, 353).
3. Der Anwendung des § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG steht zudem nicht entgegen, dass es im Streitfall nicht um einen Strafprozess geht, in dem die Kläger Beschuldigte sind, sondern um Kosten für die Strafverteidigung ihres Sohnes.
a) Denn das Abzugsverbot gilt nach seinem Wortlaut für alle Fälle, in denen Aufwendungen durch das Tragen von Prozesskosten entstehen. Auch aus der Entstehungsgeschichte des Gesetzes ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen Anwendungsausschluss, wenn ein Steuerpflichtiger einem Dritten gegenüber verpflichtet ist, dessen Prozesskosten zu tragen. Vielmehr enthält § 33 Abs. 2 Satz 4 EStG ein generelles Abzugsverbot, das nur bei einer Existenzgefährdung des Steuerpflichtigen durchbrochen wird.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbingen der Kläger, dass die Ausnahme der Existenzgefährdung im Falle von Prozesskosten für ein Strafverfahren, das sich gegen Dritte richtet, weitgehend leerlaufe. Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, kann ebenfalls dahinstehen. Denn im Streitfall ist nicht ersichtlich, dass der dahin gehende Ausnahmetatbestand der Existenzgefährdung in Person der Kläger oder ihres Sohnes vorliegt.
4. Da der Ausnahmefall der Existenzgefährdung im Streitfall nicht in Betracht kommt, ergibt sich aus den angeführten Rechtsgrundsätzen, dass das FG die geltend gemachten Strafverteidigungskosten zu Recht nicht zum Abzug als außergewöhnliche Belastungen zugelassen hat.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 10.8.2022 – VI R 29/20