Leitsatz
Wird aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung das zu versteuernde Einkommen antragsgemäß um die anzurechnende KSt und KapESt gem. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG 1990 erhöht und errechnet sich infolge der daraufhin gem. § 36 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 Satz 4 Buchst. f EStG 1990 erfolgten Anrechnung auf die hiernach festgesetzte Steuer ein Erstattungsbetrag, so ist dieser Betrag nach § 236 Abs. 1 AO zu verzinsen (Abgrenzung zum BFH-Beschluss vom 26.7.2005, VII ER-S 1/05, BFH-PR 2006, 33, auf Divergenzfrage durch Senatsbeschluss vom 27.4.2005, I R 80/04, BFH/NV 2005, 1481).
* Leitsatz nicht amtlich
Normenkette
§ 236 Abs. 1 Satz 1 AO, § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3, § 36 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 Satz 4 Buchst. f EStG ,
Sachverhalt
Die Beteiligten stritten ursprünglich darüber, ob der Klägerin, einer GmbH, im Streitjahr 1990 die Gewinnausschüttung einer Tochtergesellschaft, ebenfalls einer GmbH, zuzurechnen war. Das wurde vom FA wegen der Annahme eines Gestaltungsmissbrauchs (§ 42 AO) verneint, jedoch vom Senat durch Urteil vom 18.7.2001, I R 48/97 (BFH-PR 2001, 415) bejaht.
Dementsprechend wurden der ausgeschüttete Gewinnanteil sowie die darauf entfallende anzurechnende KSt gem. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 EStG 1990 (i.V.m. § 8 Abs. 1, § 49 Abs. 1 KStG 1984) als Einnahmen der Klägerin erfasst und die KSt entsprechend festgesetzt. Infolge der Anrechnung der KSt und der KapESt gem. § 36 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3 EStG 1990 errechnete sich ein Erstattungsanspruch, auf den gem. § 233a AO Erstattungszinsen für die Zeit vom 1.4.1992 (Ablauf der Karenzzeit des § 233a Abs. 2 Satz 1 AO) bis zum 31.3.1996 festgesetzt wurden.
Die Klägerin beantragte, den Erstattungsbetrag zusätzlich für die Zeit vom 30.8.1993 (Tag der Klageerhebung) bis zum 16.1.2002 (Tag der Auszahlung des Erstattungsbetrags) gem. § 236 AO zu verzinsen. Das FA lehnte das ab. Durch das Senatsurteil in BFH-PR 2001, 415 sei die KSt 1990 heraufgesetzt worden. Nur durch die erstmalige Anrechnung der KSt und KapESt habe sich eine Steuererstattung ergeben. Die Anrechnung sei nicht im Rahmen der Steuerfestsetzung erfolgt, sondern durch einen sonstigen Verwaltungsakt außerhalb der Steuerfestsetzung. Eine Verzinsung des Erstattungsbetrags werde deswegen nicht ausgelöst.
Das FG gab dem FA recht (EFG 2004, 1742).
Entscheidung
Der BFH hob das FG-Urteil auf und gewährte die Verzinsung. Die in Rede stehende (Sonder-)Situation, der die Klägerin im Urteilsfall aufgrund der Gesetzestechnik – zunächst Steuerheraufsetzung durch Urteil, sodann Steuerherabsetzung im Weg der Anrechnung – unterfalle, rechtfertige es, den Erstattungsbetrag zu verzinsen. Letztlich sei dieser Betrag "aufgrund" eines Urteils bewirkt worden.
Hinweis
1. Das Problem, über das der I. Senat des BFH zu befinden hatte, hat bereits Rüsken in BFH-PR 2006, 33 dargestellt, und zwar zu dem diesem Urteil vorangegangenen Divergenzanfragebeschluss des I. an den VII. Senat des BFH vom 27.4.2005 und dessen Antwortbeschluss vom 26.7.2005, VII ER-S- 1/05.
2. Es geht darum, ob ein KSt-Erstattungsbetrag auch dann zu gem. § 236 AO zu verzinsen ist, wenn der Steuerpflichtige zwar mittels rechtskräftigen Urteils eine solche Erstattung erwirkt, dies aber gewissermaßen nur mittelbar, indem er sich zuvor gegen den Steuerbescheid mit dem Begehren wendet, das zu versteuernde Einkommen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1990 um die anzurechnende KSt und KapESt zu erhöhen.
Hat diese (ausnahmsweise zulässige) Klage Erfolg, dann erreicht er das, was er eigentlich will, nämlich die Erstattung jener anzurechnenden Steuern.
3. Das heißt aber auch: Die Erstattung resultiert nicht unmittelbar aus dem Gerichtsurteil. Sie ist Folge der Anrechnung und damit des anschließenden Erhebungsverfahrens, nicht des Steuerfestsetzungsverfahrens. § 236 Abs. 1 AO wird aber allseits so verstanden, dass es darauf ankommt, dass die Steuer im Weg des Festsetzungsverfahrens "herabgesetzt" wird.
Ganz glasklar ist diese allseitige Auffassung nicht, weil das Gesetz alternativ formuliert: Die Herabsetzung muss "durch" oder "aufgrund" eines Urteils bewirkt werden. Das "aufgrund" belässt Auslegungsspielräume, welche die sog. herrschende Meinung und insbesondere auch die Rechtsprechung des VII. Senats des BFH nicht stören.
4. Der I. Senat wollte deshalb für den Sonderfall der Anrechnungssteuern anders entscheiden, habe der Steuerpflichtige doch gar keine andere Möglichkeit, als zunächst die Einbeziehung jener Steuern in das zu versteuernde Einkommen herbeizuführen. Diese Systematik und "Technik" sei im Gesetz angelegt (gewesen); ihr müsse die "Idee" der Vollverzinsung Rechnung tragen.
Der VII. Senat hatte sich auf entsprechende Divergenzanfrage von dieser Sondersituation und von den dazu angestellten Überlegungen nicht beirren lassen und hatte auf seiner Ansicht beharrt.
Rüsken hatte (s.o.) bereits angedeutet, dass das nicht unbedingt bindend sein müsse, sei jene Sondersituation der Anrechnungssteuern doch bislang noch nicht Gegenstand einer Entscheidung des VII. Senats (und auch...