Prof. Dr. Heinz-Jürgen Pezzer
Leitsatz
1. Wird ein Einkommensteuerbescheid des Gesellschafters einer Kapitalgesellschaft gem. § 32a KStG unter Hinweis auf eine geänderte Erfassung der vGA in einem Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft geändert, besteht kein Anspruch auf Prozesszinsen aus § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO.
2. Der aufgrund der Erfassung einer vGA ergangene Körperschaftsteuerbescheid ist für den die vGA erfassenden Einkommensteuerbescheid eines Anteilseigners kein Grundlagenbescheid.
3. Dies gilt auch nach Schaffung der Korrespondenzregelungen in §§ 32a, 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Sätze 2 und 3 EStG, jeweils i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28; Anschluss an BFH, Urteil vom 6.9.2011, VIII R 55/10, BFH/NV 2012, 269, m.w.N.).
Normenkette
§ 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 236 AO, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Sätze 2 und 3, § 20 EStG, § 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4, § 32a KStG
Sachverhalt
Der Kläger war Anteilseigner einer AG. Für das Streitjahr 1989 wurde ihm eine vGA dieser Gesellschaft zugerechnet. Sein dagegen eingeleitetes Einspruchsverfahren ruhte bis zur Entscheidung über Einspruch und Klage der AG gegen den Körperschaftsteuerbescheid. Nach Änderung dieses Körperschaftsteuerbescheids half das FA dem Einspruch des Klägers ab. Der Bescheid wies zugunsten des Klägers eine Erstattung für das Streitjahr aus.
Für diesen Betrag verlangte der Kläger erfolglos Prozesszinsen nach § 236 AO. Seine Klage blieb erfolglos (FG Köln, Urteil vom 29.1.2009, 10 K 4414/07, Haufe-Index 2161257, EFG 2009, 1096).
Entscheidung
Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Wegen der Einzelheiten wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.
Hinweis
Werden im Körperschaftsteuerbescheid einer Körperschaft und im Einkommensteuerbescheid eines Gesellschafters vGA zunächst zu Unrecht erfasst, werden aber nach Richtigstellung des Fehlers der Körperschaftsteuerbescheid und der Einkommensteuerbescheid geändert und ergibt sich daraus eine Einkommensteuererstattung, so können für den Erstattungsbetrag keine Prozesszinsen beansprucht werden.
1. Laut § 236 Abs. 1 Satz 1 AO ist der zu erstattende Betrag vom Tag der Rechtshängigkeit an bis zum Auszahlungstag zu verzinsen, wenn durch eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder aufgrund einer solchen Entscheidung eine festgesetzte Steuer herabgesetzt wird. Voraussetzung ist danach, dass diese von der Änderung betroffene Steuerfestsetzung zuvor Gegenstand des durch gerichtliche Entscheidung abgeschlossenen Verfahrens war. Die Regelung erfasst mithin schon nach ihrem Wortlaut nicht solche Änderungen, die aufgrund der Entscheidungen zu anderen Steuerstreitverfahren, wie z.B. zu Musterstreitverfahren, ergangen sind.
2. Wird ein Einkommensteuerbescheid gem. § 32a KStG unter Hinweis auf eine geänderte Erfassung der vGA in einem Körperschaftsteuerbescheid der Kapitalgesellschaft geändert, so ist ein Anspruch auf Prozesszinsen auch nicht aus § 236 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a AO herzuleiten.
Ein solcher Anspruch besteht entsprechend der Regelung in Abs. 1 der Vorschrift, wenn eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder ein unanfechtbarer Verwaltungsakt, durch den sich der Rechtsstreit erledigt hat, zur Herabsetzung der in einem Folgebescheid festgesetzten Steuer führt. An einem solchen Folgebescheid fehlt es.
a) Der auf der Erfassung einer vGA (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) beruhende Körperschaftsteuerbescheid einerseits und der Einkommensteuerbescheid andererseits, der auf der Ebene des Anteilseigners für die vGA Kapitaleinkünfte i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG bzw. § 8b Abs. 1 KStG in die Steuerfestsetzung einbezieht, stehen nicht im Verhältnis von Grundlagen- und Folgebescheid gem. § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO. Vielmehr ist darüber in dem jeweiligen Besteuerungsverfahren selbstständig zu entscheiden.
b) An dieser Beurteilung ändert sich nichts durch die Schaffung der Korrespondenzregelungen in § 32a, § 8b Abs. 1 Sätze 2 bis 4 KStG, § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Sätze 2 und 3 EStG, jeweils i.d.F. des JStG 2007 vom 13.12.2006 (BGBl I 2006, 2878, BStBl I 2007, 28).
c) Dem Einkommensteuerbescheid kann auch dann nicht die Funktion eines Folgebescheids zugesprochen werden, wenn das dagegen eingeleitete Einspruchsverfahren bis zur Entscheidung über das Rechtsschutzverfahren gegen den Körperschaftsteuerbescheid ruhte. Die Vorgreiflichkeit einer anderen Entscheidung kann zwar auf der Bindungswirkung eines Grundlagenbescheids beruhen, begründet diese aber nicht selbst. Denn eine Aussetzung des Verfahrens wegen Vorgreiflichkeit ist auch dann zulässig, wenn die in dem anderen Verfahren zu erwartende Entscheidung nicht bindend ist, sondern nur einen rechtlich erheblichen Einfluss auf die Entscheidung im auszusetzenden Verfahren ausüben kann.
d) § 236 AO ist auf Erstattungsansprüche, die auf einem nach § 363 Abs. 1 AO ausgesetzten Rechtsbehelfsverfahren beruhen, auch nicht entsprechend anzuwenden.
Nach der Entstehungsgeschichte der Vorschrif...