Prof. Dr. Werner Gleißner
Unter Risikoquantifizierung versteht man die quantitative Beschreibung eines Risikos und – als nächsten Schritt – die Ableitung eines Risikomaßes (einer Kennzahl), das die Risiken vergleichbar macht.
Wahrscheinlichkeitsverteilungen
Grundsätzlich sollte ein Risiko zunächst durch eine geeignete (mathematische) Verteilungsfunktion beschrieben werden. Häufig werden Risiken dabei durch Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenshöhe beschreibbar. Das entspricht einer sog. Binomialverteilung (digitale Verteilung).
Manche Risiken, wie Abweichung bei Instandhaltungskosten oder Zinsaufwendungen, die mit unterschiedlicher Wahrscheinlichkeit verschiedene Höhen erreichen können, werden dagegen durch andere Verteilungsfunktionen (z. B. eine Normalverteilung mit Erwartungswert und Standardabweichung) beschrieben. Die wichtigsten Verteilungsfunktionen im Rahmen des praktischen Risikomanagements sind
- die Dreiecksverteilung,
- die Normalverteilung und
- die Binomialverteilung.
4.1 Dreiecksverteilung
Die Dreiecksverteilung erlaubt – auch für Anwender ohne tiefgehende statistische Vorkenntnisse – eine intuitiv einfache quantitative Beschreibung des Risikos einer Planvariablen, wie z. B. einer Kostenposition. Es müssen lediglich drei Werte für die risikobehaftete Variable angegeben werden:
- der Minimalwert a,
- der wahrscheinlichste Wert b und
- der Maximalwert c.
Dies bedeutet, dass von einem Anwender nicht gefordert wird, eine Wahrscheinlichkeit abzuschätzen. Dies geschieht implizit durch die angegebenen drei Werte und die Art der Verteilung. Die Beschreibung eines Risikos mit diesen drei Werten ähnelt der in der Praxis gebräuchlichen Art der Szenariotechnik. Hierbei wird jedoch die Wahrscheinlichkeitsdichte für alle möglichen Werte zwischen dem Minimum und dem Maximum berechnet. Abb. 2 zeigt eine Dreiecksverteilung am Beispiel des Ausfalls von Schlüsselpersonen.
Abb. 2: Dreiecksverteilung für Schlüsselpersonen-Ausfall
Die Risikoquantifizierung zeigt in diesem Fall einen Schaden von maximal 125.000 EUR, falls eine Schlüsselperson ausfallen würde. Es kann jedoch auch sein, dass keine erhöhten Kosten entstehen. 50.000 EUR sind die wahrscheinlichsten Kosten. Der Erwartungswert einer Dreiecksverteilung berechnet sich durch , die Standardabweichung durch
4.2 Normalverteilung
Die Normalverteilung kommt in der Praxis häufig vor. Dies ergibt sich aus dem sog. zentralen Grenzwertsatz. Dieser besagt, dass eine Zufallsvariable annähernd normalverteilt ist, wenn diese Zufallsvariable als Summe einer großen Anzahl voneinander unabhängiger, kleiner Einzelrisiken aufgefasst werden kann.
Hat ein Unternehmen beispielsweise eine Vielzahl von etwa gleich bedeutenden Kunden, deren Kaufverhalten nicht voneinander abhängig ist, kann man annehmen, dass Abweichungen vom geplanten Umsatz annähernd normalverteilt sein werden. Es ist in einem solchen Fall also unnötig, jeden Kunden einzeln zu betrachten. Vielmehr kann der Gesamtumsatz analysiert werden.
Die Normalverteilung wird beschrieben durch
- den Erwartungswert , der anzeigt, was "im Mittel" passiert, und
- die Standardabweichung als Maß für die Streuung um den Erwartungswert.
Abb. 3: Dichtefunktion der Standardnormalverteilung
4.3 Binomialverteilung
Die Binomialverteilung beschreibt die Wahrscheinlichkeit, dass bei n-maliger Wiederholung eines sog. Bernoulli-Experiments das Ereignis A genau k-mal eintritt. Ein Bernoulli-Experiment ist dadurch gekennzeichnet, dass genau zwei Ereignisse A und B mit Wahrscheinlichkeit p bzw. 1 – p auftreten, diese Wahrscheinlichkeiten sich bei den Versuchswiederholungen nicht verändern und die einzelnen Versuche unabhängig voneinander sind. Ein Beispiel für das Auftreten dieser Wahrscheinlichkeitsverteilung ist das mehrmalige Werfen einer Münze.
Ein Spezialfall der Binomialverteilung ist die "digitale Verteilung". Hier bestehen die zwei möglichen Ereignisse aus den Werten null und eins. In der Praxis wird hier oft ein Risiko beschrieben durch
- Schadenshöhe und
- Eintrittswahrscheinlichkeit (innerhalb einer vorgegebenen Periode).
Das Ereignis A hat in diesem Beispiel also den Wert 0, Ereignis B den Wert 1.
Ausfall einer Produktionsmaschine
Ein typisches Praxisbeispiel ist der Ausfall einer Produktionsmaschine, die im Unternehmen nur einmal verfügbar ist. Es wird zudem angenommen, dass die Maschine auch tatsächlich nur genau einmal im Jahr ausfallen kann. Angegeben wird also die Wahrscheinlichkeit p, dass die Maschine innerhalb eines Jahres ausfällt. Die Schadenshöhe gibt die Auswirkung für den Fall an, dass die Maschine tatsächlich ausgefallen ist. Vereinfachend wird hier angenommen, dass diese Schadenshöhe sicher ist (siehe zu den praxisnäheren kombinierten Verteilungen, die z.B. Unsicherheit über die Schadenshöhe berücksichtigen können, die weiteren Ausführungen in Abschnitt 4.4).
Abb. 4: Binomialverteilung
4.4 Weitere Verteilungsfunktionen und kombinierte Verteilungen
Neben den genannten und in der Praxis des Risikomanagements besonders wichtigen Wahrscheinlichkeitsverteilungen gibt es eine ganze Reihe weiterer. Für die quantitative Beschreibung von "Extremri...