Prof. Dr. Stefan Müller, Laura Peters
Rz. 27
Die Gesamtabschreibungsquote, die auch als Abgeschriebenheitsquote bezeichnet wird, verdeutlicht den Grad der Abschreibungen des Sachanlagevermögens. Sie gibt an, welcher Anteil des Sachanlagevermögens bereits abgeschrieben ist. Die grundsätzliche Hypothese lautet: Je höher der Abnutzungsgrad ist, umso höher ist das durchschnittliche Alter des Vermögens und umso höher wird die Notwendigkeit sein, in Zukunft Ersatzinvestitionen vorzunehmen.
Gesamtabschreibungsquote (in %) = |
Kum. Abschreibungen auf Sachanlagen |
× 100 |
Sachanlagen (zu historischen AHK) |
Rz. 28
Eine Veränderung der Kennzahl kann 2 unterschiedliche Ursachen haben: Einerseits können bei stark abgeschriebenen Anlagen (d. h. einem Wert von über 50 % – unter Ausklammerung von Inflationseffekten) die notwendigen Ersatzinvestitionen in den Vorjahren nicht ausreichend vorgenommen worden sein, sodass in naher Zukunft mit einem Investitionsschub zu rechnen ist. Diese Ausprägung stellt somit die dynamische Betrachtung der Reinvestitionsquote dar. Andererseits können aber die scheinbar stark abgeschriebenen Anlagen auch auf stille Reserven hindeuten, da durch ggf. nach HGB erlaubte geometrisch degressive Abschreibungsverfahren und im Rahmen der Nutzung von Einschätzungsspielräumen verkürzte Nutzungsdauern der Wert der kumulierten Abschreibungen ohne wirtschaftlichen Grund so stark erhöht wurde. Werden möglichst hohe Abschreibungen in Anspruch genommen, steigt die Abschreibungsquote und es werden stille Reserven gebildet. Hierdurch sinkt der Gewinn und damit – soweit anerkannt – die Steuerlast. Werden dagegen stille Reserven durch niedrige Abschreibungen zugunsten eines höheren Gewinns aufgelöst, sinkt die Abschreibungsquote. Dies wird i. d. R. nur dann durchgeführt, wenn das Unternehmen sonst einen zu geringen Gewinn ausweisen würde. Eine niedrige bzw. stark fallende Abschreibungsquote kann somit ein Indikator für Probleme bei der Erzielung eines nachhaltigen Gewinns sein. Problem ist, dass diese Werte stark von der Branche und den verwendeten Sachverhalte gestaltenden Maßnahmen abhängen. Die Inanspruchnahme von Leasing kann die Aussage völlig verändern. Ebenso spielen Aspekte des Konzerns eine Rolle, da Teile des Sachanlagevermögens in Finanzanlagen ausgelagert sein können. Aus diesem Grund wird im Selbstratingsystem statt der Abschreibungsquote die Gesamtabschreibungsquote verwendet, die zur Berechnung die kumulierten Abschreibungen des Sachanlagevermögens heranzieht. Die Aussage der Gesamtabschreibungsquote ist allerdings zu relativieren, wenn die Abschreibungen wie oben dargestellt durch Sonderfaktoren erhöht sind, die keinen echten Verbrauch des Wirtschaftsgutes verkörpern. Diese sind nach Möglichkeit bereits im Rahmen der Aufbereitung des Jahresabschlusses zu eliminieren, haben aber letztlich wieder die gleichen Probleme wie im Rahmen der Ermittlung der Reinvestitionsquote. Auch wird diese Kennzahl von der Inflation tangiert, da neu angeschaffte (nominal teurere) Vermögensgegenstände bei der Berechnung im Nenner überrepräsentiert sind im Vergleich zu bereits in früheren Jahren angeschafften Vermögensgegenständen – im Zähler ist es dagegen mit noch größerer Wirkung genau andersherum, da hier die Altwerte den größten Anteil ausmachen und somit die alten Preisniveaus überrepräsentiert sind. Diese Effekte sind in der erwarteten Ausprägung zu berücksichtigen und somit ist je nach Stärke des auch von der durchschnittlichen Nutzungsdauer abhängenden Inflationseffekts der Wert von 50 % zu erhöhen.