Leitsatz
1. Bei einer Betriebsaufgabe ist der Wert des Betriebsvermögens wie bei der Betriebsveräußerung durch eine Bilanz zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 EStG). Diese Aufgabebilanz ist auch bei einer zeitlich gestreckten Betriebsaufgabe einheitlich und umfassend auf einen bestimmten Zeitpunkt zu erstellen. Das ist zweckmäßigerweise der Zeitpunkt der Beendigung der betrieblichen Tätigkeit, zu dem die Schlussbilanz zur Ermittlung des laufenden Gewinns aufzustellen ist.
2. Unabhängig von der sachlichen Zuordnung zeitlich gestreckter Aufgabehandlungen zum Betriebsaufgabegewinn durch Aufnahme in die Aufgabebilanz bestimmt sich der Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung für die einzelnen Aufgabevorgänge (Veräußerung oder Überführung ins Privatvermögen) nach allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen.
3. Eine (Folge-)Änderung nach § 174 Abs. 4 AO setzt weder voraus, dass mit der (Ausgangs-)Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen dessen Antrag entsprochen wurde noch dass die Auswirkungen der Änderung zugunsten und der Änderung zuungunsten des Steuerpflichtigen einander aufheben. Ein Verböserungshinweis ist auch dann nicht erforderlich, wenn die Änderung zugunsten des Steuerpflichtigen im Ergebnis zu einer steuerlichen Mehrbelastung durch die Folgeänderung führt.
Normenkette
§ 14 EStG , § 16 Abs. 2 und 3 EStG , § 174 Abs. 4 AO , § 367 Abs. 2 AO
Sachverhalt
Der Kläger hatte zum 31.12.1991 die Aufgabe seines landwirtschaftlichen Gartenbaubetriebs in Berlin erklärt. Alle Flächen und ein bislang eigen genutztes Zweifamilienhaus hatte der Kläger veräußert; sie wurden dem Erwerber am 31.3.1992 übergeben. Bereits im Dezember 1991 hatte der Kläger die Gärtnerei still gelegt, seine Arbeitnehmer entlassen und den Marktstand, über den alle Produkte abgesetzt worden waren, verkauft.
Dem FA teilte der Kläger im März 1992 mit, seinen Betrieb zum 31.12.1991 endgültig eingestellt zu haben. Dementsprechend legte er mit seiner ESt-Erklärung 1991 eine Aufgabebilanz auf den 31.12.1991 vor und erklärte einen Aufgabegewinn von ca. 22 Mio. DM. Das FA folgte der Erklärung zunächst, änderte den Bescheid aber nach einer Außenprüfung und setzte einen höheren Aufgabegewinn an.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit einer Klage beim FG und begehrte eine Reduzierung des Aufgabegewinns. Das FG war der Auffassung, der Aufgabegewinn sei im Jahr 1992 zu erfassen. Darauf erließ das FA während des Klageverfahrens einen geänderten Bescheid für 1991, in dem der Aufgabegewinn nicht mehr berücksichtigt wurde. Der Rechtsstreit wurde anschließend übereinstimmend für erledigt erklärt. Gleichzeitig mit dem Abhilfebescheid hatte das FA einen nach § 174 Abs. 4 AO geänderten ESt-Bescheid 1992 erlassen, in dem nun der Aufgabegewinn erfasst wurde, der auch Anwaltskosten einbezog, die bisher 1993 angesetzt worden waren. Der ESt-Bescheid 1993 wurde entsprechend nach § 164 Abs. 2 AO geändert.
Einer nun gegen die Bescheide für 1992 und 1993 gerichteten Klage gab das FG insoweit statt, als es den Aufgabegewinn teilweise den Jahren 1991 und 1992 zuordnete.
Entscheidung
Die Revision des Klägers hatte in Bezug auf das Jahr 1992 Erfolg. Der BFH war der Ansicht, der Kläger habe seinen Betrieb aufgegeben. Der Aufgabegewinn sei teilweise den Jahren 1991 und 1992 zuzuordnen, was im Ergebnis auch vom FG vorgenommen worden sei. Lediglich die Höhe des 1992 angefallenen Teils des Gewinns müsse das FG unter Beachtung der Rechtsauffassung des BFH neu ermitteln. Die Anwaltskosten seien zu Recht dem Aufgabegewinn im Jahr 1992 zugeordnet worden.
Hinweis
1. Der komplizierte Fall, der hier nicht in allen Details dargestellt werden kann, betraf vor allem zwei Fragen:
- Wann ist ein Aufgabegewinn bezogen und wie wird dieser Gewinn ermittelt?
- Wann ist ein Bescheid auf Antrag des Steuerpflichtigen zu seinen Gunsten i.S.d. § 174 Abs. 4 AO aufgehoben oder geändert worden?
2. Zur zeitlichen Zuordnung eines Aufgabegewinns bestätigt der BFH seine bisherige Auffassung, dass der Gewinn in mehreren VZ anfallen kann. Die Betriebsaufgabe kann aus mehreren Teilakten bestehen, die jeweils zur Gewinnrealisierung führen. Hierfür gelten die allgemeinen Grundsätze. So hatte im Besprechungsfall ein Teil der Aufgabe durch Veräußerung des Marktstands, Entlassung der Arbeitnehmer und Einstellung der werbenden Tätigkeit im Jahr 1991 stattgefunden, während der Gewinn aus der Veräußerung der Betriebsgrundstücke erst mit Besitzübergang im folgenden Jahr entstand.
Neu ist jedoch eine Äußerung des BFH zur Aufstellung der Aufgabebilanz. Diese nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG zwingend aufzustellende Bilanz muss nach Meinung des BFH auf den Zeitpunkt des Beginns der Betriebsaufgabe aufgestellt werden. Sie übernimmt die Werte der nach § 6 Abs. 2 EStDV aufzustellenden Schlussbilanz für den aktiven Betrieb.
3. Zu den Voraussetzungen des § 174 Abs. 4 AO stellt der BFH nochmals klar, dass die Änderung des Bescheids nicht spiegelbildlich dem entsprechen muss, was in dem vorangegangenen Verfahren zugunsten des Steuerpflichtigen ...