Leitsatz
1. Bei der Prüfung, ob ein als "Belastung" bezeichnetes Dokument (nur) über Leistungen oder (auch) über Entgeltminderungen abrechnet, ist der Inhalt einer dem FA vorliegenden Konditionsvereinbarung jedenfalls dann ergänzend heranzuziehen, wenn in dem Dokument auf die Vereinbarung verwiesen wird.
2. Ein negativer Betrag, der in einer Rechnung unrichtig oder unberechtigt ausgewiesen wird, wird nicht i.S. des § 14c Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStG geschuldet.
Normenkette
§ 14 Abs. 4, § 14c Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 Satz 1, Sätze 3 bis 5, § 17 UStG, Art. 203, Art. 226 EGRL 112/2006 (= MwStSystRL)
Sachverhalt
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter der Firma X.
X hatte mit der Firma Y eine "Jahreskonditionsvereinbarung 2006" geschlossen. Diese enthielt Angaben zu "Bonuszahlungen" und darauf zu leistende Abschlagszahlungen. Die Abrechnung erfolgte über einen Zentralregulierer (W). W wiederum leitete die Abrechnungen anschließend an Y weiter.
W erstellte demgemäß für X im Jahr 2006 an Y mit "Belastung" bezeichnete Dokumente. In jenen wurde über "WKZ" (Werbekostenzuschuss) "gemäß Vereinbarung Bonus AC" (d.h.: Akontozahlung) abgerechnet.
Die Organträgerin der Y zog die in den o.g. "Belastungen" genannten Beträge als Vorsteuer ab. X meldete die in den "Belastungen" genannten Beträge in seiner Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2006 an und führte die Beträge an den Beklagten und Revisionskläger (das FA) ab.
Im Jahr 2012 wurde über das Vermögen des X das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Das für die Besteuerung der Organträgerin der Y zuständige FA Q teilte nach Durchführung einer Außenprüfung bei Y dem FA mit, nur ca. 50 % der in den "Belastungen" berechneten Beträge beträfen tatsächlich Werbekostenzuschüsse. Hinsichtlich der restlichen Summe handele es sich um vereinbarte Entgeltminderungen für die ursprünglichen Lieferungen von Y an X.
Am 24.3.2016 stornierte X die für das Jahr 2006 erstellten Bonusabrechnungen. Das FA Q bestätigte, dass die Organträgerin der Y am 31.12.2015 die abgezogene Vorsteuer an das FA Q zurückgezahlt habe.
Der Kläger beantragte mit Schriftsatz vom 7.7.2016 beim FA, gemäß § 14c Abs. 2 Satz 5 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG der Berichtigung eines Steuerbetrags zuzustimmen. Diesen Antrag lehnte das FA mit der Begründung ab, bei den von W im Namen von X erstellten Abrechnungspapieren handele es sich lediglich um kaufmännische Gutschriften und nicht um Rechnungen i.S.d. § 14c UStG; denn diese enthielten eine Reihe widersprüchlicher Angaben und rechneten lediglich über Preisnachlassansprüche ab, was keine hinreichende Leistungsbeschreibung darstelle. Außerdem seien die Beträge negativ. Da deshalb der gesonderte Steuerausweis nicht zu einer Anwendung des § 14c UStG führe, die ausgewiesene Umsatzsteuer also auch nicht geschuldet werde, erübrige sich die Durchführung einer formalen Rechnungsberichtigung.
Das FG (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 11.12.2017, 9 K 2646/16, Haufe-Index 11473059, EFG 2018, 513) gab der Klage zum weit überwiegenden Teil statt. Es entschied, die Klage sei zulässig und in ihrem reduzierten Umfang begründet. Die berichtigten Abrechnungspapiere stellten Rechnungen i.S.v. § 14c UStG dar, in denen X unberechtigt i.S.v. § 14c Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 UStG Umsatzsteuer ausgewiesen habe. Darauf, dass X den vereinnahmten Mehrbetrag nicht an Y zurückgezahlt habe, komme es im Streitfall nicht an.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf und wies die Klage ab.
Offen blieb, ob bei anderer Beurteilung ein unrichtiger oder ein unberechtigter Steuerausweis (§ 14c Abs. 1 oder 2 UStG) vorgelegen hätte. Auch blieb offen, ob auch im Bereich des § 14c Abs. 2 UStG die Berichtigung des Steuerbetrags eine Rückzahlung der Umsatzsteuer an den Leistungsempfänger voraussetzt, um die Gefährdung des Steueraufkommens (endgültig) zu beseitigen (zu § 14c Abs. 1 UStG i.V.m. § 17 UStG s. BFH, Urteil vom 16.5.2018, XI R 28/16, BFH/NV 2018, 1048).
Hinweis
Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist (Art. 203 MwStSystRL). Deshalb kommt der Frage, ob in einer Rechnung Mehrwertsteuer (Umsatzsteuer) ausgewiesen ist, für den Rechnungsaussteller zentrale Bedeutung zu.
Das Besprechungsurteil klärt in diesem Zusammenhang zwei wichtige Fragen:
1. Wird in der Rechnung ein negativer Betrag ausgewiesen, wird dieser negative Betrag grundsätzlich nicht vom Rechnungsaussteller geschuldet. Das FA müsste sonst an den Rechnungsaussteller Umsatzsteuer auszahlen.
Abweichendes Ergebnis bei Gutschrift
Anders könnte es möglicherweise sein, wenn in einer Gutschrift ein negativer Betrag genannt ist, mit dem zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Leistungsempfänger als Aussteller der Gutschrift dem Gutschriftsempfänger diesen Steuerbetrag zu zahlen hat. Dann liegt aus Sicht des Empfängers der Gutschrift ein positiver Betrag vor, den der Empfänger der Gutschrift schulden kann, wenn er ihr nicht widerspricht.
2. Zur Ausleg...