Leitsatz
Die nach § 14 Abs. 2 UStG 1993 geschuldete USt ist nicht abziehbar. Die Berichtigung der Rechnung durch den Leistenden rechtfertigt deshalb keine Berichtigung der USt des Leistungsempfängers im Zeitpunkt der Rechnungsberichtigung; der Verweisung in § 14 Abs. 2 S. 2 UStG 1993 auf die entsprechende Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG 1993 kommt insoweit keine Wirkung mehr zu (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 14 Abs. 2, § 15 Abs. 1 Nr. 1 S. 1, § 17 Abs. 1 UStG 1993
Sachverhalt
Die Klägerin hatte einen Gaststättenbetrieb (1995) erworben und die ausgewiesene USt geltend gemacht. 1997 berichtigte der Verkäufer die Rechnung und wies darauf hin, dass für den Verkauf keine USt angefallen sei. Unter Hinweis auf das Vorliegen einer Geschäftsveräußerung und diese Berichtigung änderte das FA die USt für 1997. Die Klage hatte keinen Erfolg (Haufe-Index 1527175, EFG 2006, 1204).
Entscheidung
Die Revision der Klägerin hatte Erfolg. Sie erweist sich aber als Eigentor, wenn der USt-Bescheid für 1995 nach § 174 Abs. 4 S. 2 AO geändert werden kann. Dann fallen entsprechende Zinsen an. § 174 AO wird z.T. übersehen – nicht nur von der Finanzverwaltung, die soweit ersichtlich von der Möglichkeit der Hinzuziehung im Einspruchsverfahren und auch vom Antrag auf Beiladung nach § 174 Abs. 5 AO selten Gebrauch macht, sondern auch von Beratern.
Hinweis
1. Als Vorsteuer darf nur eine für den berechneten Umsatz vom Leistenden geschuldete Steuer abgezogen werden, nicht also die zu Unrecht ausgewiesene USt. Nicht nur bei der Veräußerung vermieteter Grundstücke, sondern bei der Übertragung von Betrieben oder Betriebsteilen ist die Nichtsteuerbarkeit der Geschäftsveräußerung zu bedenken.
2. Hat der Unternehmer in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag gesondert ausgewiesen, als er nach dem UStG für den Umsatz schuldet, so schuldet er auch den Mehrbetrag. Die Berichtigung der Rechnung hat für die USt des Leistungsempfängers deswegen keine Bedeutung mehr, weil die zu Unrecht ausgewiesene USt nach der gemeinschaftsrechtlich gebotenen Änderung der Rechtsprechung nicht abziehbar ist. Das gilt auch für Altfälle, in denen noch § 14 a.F. anwendbar war. Dazu hatte der BFH die Auffassung vertreten, die nach § 14 Abs. 2 UStG ausgewiesene USt sei – anders als die nach § 14 Abs. 3 UStG – abziehbar. Dieser Rechtsprechung ist aber seit der Entscheidung des EuGH über die Nichtabziehbarkeit nicht als Steuer für einen Umsatz geschuldete "Umsatzsteuer" der Boden entzogen. Die Berichtigung einer Rechnung bei unberechtigtem USt-Ausweis (ob und wann und inwieweit, vgl. § 14 Abs. 2 S. 2 UStG a.F. und § 14c Abs. 1 UStG i.d.F. d. StÄndG 2003) ist deshalb nur noch für den Leistenden von Bedeutung.
3. Die "alte" Rechtslage – Abziehbarkeit der nach § 14 Abs. 2 UStG geschuldeten Steuer und ggf. nach Rechnungsberichtigung Berichtigung nach § 17 UStG im Zeitpunkt der Berichtigung – ist nur noch in Einzelfällen von Bedeutung, wenn sich der Unternehmer auf Vertrauensschutz (§ 176 Abs. 1 Nr. 3 AO) berufen kann.
4.§ 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO beruht auf der Überlegung, dass dem Steuerpflichtigen eine bereits durch einen Verwaltungsakt aufgrund der günstigeren"alten" Rechtsprechung bestätigte Rechtsposition nicht durch eine nach Ergehen dieses Verwaltungsakts erfolgte Änderung der Rechtsprechung wieder genommen werden soll. Im Einzelfall kann es auf einen Tag ankommen: Geändert hat sich die Rechtsprechung nicht schon dann, wenn das betreffende Gericht die Entscheidung gefällt hat; d.h. das Entscheidungsdatum ist unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, ob im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der geändert werden soll, zu einem gleichen Sachverhalt und/oder derselben Rechtsfrage die geänderte Rechtsprechung bereits veröffentlicht ist. Ist – wie im Streitfall – vor Erlass des Bescheids die Entscheidung zur Veröffentlichung freigegeben und in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden, greift § 176 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 AO jedenfalls nicht mehr ein.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 06.12.2007, V R 3/06