Leitsatz
Ein nach § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ergangener LSt-Pauschalierungsbescheid ist nicht deshalb nichtig, weil der Arbeitgeber keinen Pauschalierungsantrag gestellt hat.
Normenkette
§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG , § 125 AO
Sachverhalt
Im Verlauf des Klageverfahrens erließ das FA einen geänderten LSt-Nachforderungsbescheid. Da die Klägerin – trotz Belehrung – hiergegen weder Einspruch einlegte noch einen Antrag nach § 68 FGO (alter Fassung) stellte, wurde der geänderte Nachforderungsbescheid bestandskräftig. Hierauf beantragte die Klägerin – nachdem sich herausgestellt hatte, dass kein Antrag auf LSt-Pauschalierung (§ 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) vorgelegen hatte – festzustellen, dass die beiden LSt-Nachforderungsbescheide nichtig seien.
Das FG wies die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, das Fehlen des Pauschalierungsantrags sei kein besonders schwerwiegender Fehler i.S.d. § 125 AO.
Entscheidung
Der BFH bestätigte die Vorentscheidung mit den vorerwähnten grundsätzlichen Bemerkungen zu Fragen der Pauschalierung von LSt.
Hinweis
1. Nichtige Verwaltungsakte werden nicht wirksam und erzeugen keine Rechtswirkungen. Ob ein Verwaltungsakt, der ohne einen hierfür erforderlichen Antrag ergangen ist, nichtig ist, kann nur von Fall zu Fall entschieden werden.
Nach der gesetzlichen Definition des § 125 Abs. 1 AO ist ein Verwaltungsakt nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Die Rechtsprechung nimmt dies (erst) dann an, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maß verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den ergangenen Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.
Die Frage der Nichtigkeit muss immer anhand der jeweiligen für das Verhalten der Behörde maßgebenden Rechtsvorschrift beurteilt werden.
2. Im Fall des Ergehens eines LSt-Pauschalierungsbescheids ohne Antrag kam der BFH zu dem Ergebnis, dass solche Bescheide grundsätzlich nicht nichtig, sondern nur fehlerhaft (rechtswidrig) sind. Ergeht folglich ein derartiger Bescheid (ohne Antrag), ist der Arbeitgeber gehalten, hiergegen die erforderlichen Rechtsbehelfe einzulegen, damit der Eintritt der Bestandskraft (Rechtskraft) verhindert wird.
3. In der Besprechungsentscheidung machte der BFH – um die Intensität der Rechtsverletzung des FA werten zu können – grundsätzliche Ausführungen zur LSt-Pauschalierung:
a) Ein Pauschalierungsantrag enthält als öffentlich-rechtliche Willenserklärung zum einen die Zustimmung des Arbeitgebers mit dem Ergehen des Pauschalierungsbescheids und zum anderen die Zustimmung zur Übernahme der Steuerschuld.
b) Die pauschale LSt ist zwar formell – für das Erhebungsverfahren – als Erhebungsschuld des Arbeitgebers ausgestaltet; sie ist jedoch in ihrem Wesensgehalt nichts anderes als eine besonders berechnete LSt. Die Pauschalierungsvorschriften regeln – neben der Schuldübernahme durch den Arbeitgeber – nur besondere Rechtsfolgen der (beim Arbeitnehmer) bereits entstandenen LSt.
c) Ein Antrag auf LSt-Pauschalierung enthält überdies keine Willenserklärung des Arbeitgebers, die darauf abzielt, auf eine Überwälzung der übernommenen pauschalen LSt zu verzichten. Der Arbeitgeber verliert deshalb durch das Ergehen eines an ihn gerichteten LSt-Nachforderungsbescheids nicht die Möglichkeit, die pauschale LSt auf den Arbeitnehmer zu überwälzen. Ob die Übernahme der pauschalen LSt durch den Arbeitgeber gegenüber dem FA auch im Verhältnis zum Arbeitnehmer eine befreiende Schuldübernahme beinhaltet, richtet sich nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen.
d) Bei der pauschalen LSt i.S.d. § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt es sich nicht um eine zeitraumbezogene, sondern um eine sachverhaltsbezogene Steuer. Zur inhaltlichen Bestimmtheit (§ 119 Abs. 1 AO) des LSt-Nachforderungsbescheids bedarf es folglich lediglich der Angabe des einschlägigen Sachverhaltskomplexes, hinsichtlich dessen der LSt-Abzug nach Auffassung des FA fehlerhaft erfolgt ist.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 7.2.2002, VI R 80/00