Prof. Dr. Stefan Schneider
Leitsatz
1. Eine beruflich begründete doppelte Haushaltsführung liegt vor, wenn aus beruflicher Veranlassung in einer Wohnung am Beschäftigungsort ein zweiter (doppelter) Haushalt zum Hausstand des Steuerpflichtigen hinzutritt. Der Haushalt in der Wohnung am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn ihn der Steuerpflichtige nutzt, um seinen Arbeitsplatz von dort aus erreichen zu können.
2. Eine aus beruflichem Anlass begründete doppelte Haushaltsführung kann auch dann vorliegen, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Haupthausstand aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt und er darauf in einer Wohnung am Beschäftigungsort einen Zweithaushalt begründet, um von dort seiner bisherigen Beschäftigung weiter nachgehen zu können (Änderung der Rechtsprechung).
Normenkette
§ 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1 und 2 EStG
Sachverhalt
Der im Streitjahr 2001 nicht selbstständig tätige und ledige Kläger machte Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung i.H.v. 6 755 DM (erste Fahrt 331 DM, Heimfahrten 1 824 DM, Miete für 140-qm-Wohnung für zwei Monate 4 600 DM) geltend. Er gab zur Begründung an, dass er seinen Lebensmittelpunkt auf Grundlage einer gefestigten Partnerbeziehung mit beabsichtigter Eheschließung nach München verlegt habe, er aber die gut bezahlte Arbeitsstelle in Bonn weiter aufrechterhalte, bis er am neuen Lebensmittelpunkt eine vergleichbare Beschäftigung gefunden habe.
Das FA ließ die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung ebenso unberücksichtigt wie das FG (FG Köln, Urteil vom 24.08.2006, 2 K 6306/03, Haufe-Index 1768353, EFG 2007, 1233), weil der Steuerpflichtige aus privaten Gründen seinen Hauptwohnsitz wegverlegt habe und die doppelte Haushaltsführung daher nicht beruflich veranlasst sei.
Entscheidung
Der BFH hob die Vorentscheidung auf, weil auf Grundlage seiner neuen Rechtsprechung allein die Wegverlegung des Haupthausstands eine beruflich veranlasste doppelte Haushaltsführung nicht mehr ausschließt (Praxishinweise Nrn. 2-3). Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen allerdings noch keine abschließende Beurteilung, ob und in welcher Höhe Mehraufwendungen für doppelte Haushaltsführung zu berücksichtigen sind (Praxishinweis Nr. 4).
Hinweis
Anhand von insgesamt fünf Urteilen jeweils vom 05.03.2009 (Besprechungsfall sowie VI R 58/06, BFH/NV 2009, 1173, BFH/PR 2009, 290; VI R 31/08; VI R 53/07; VI R 54/05) ändert der LSt-Senat seine Rechtsprechung zur doppelten Haushaltsführung in den sog. Wegverlegungsfällen.
1. Bisher hatte der BFH dann, wenn der Steuerpflichtige die Familienwohnung aus privaten Gründen vom Beschäftigungsort wegverlegt hatte, die berufliche Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung verneint, weil die Aufteilung des ursprünglich einheitlichen Hausstands auf zwei Haushalte dann privat veranlasst sei (BFH, Urteile vom 14.02.1975, VI R 125/74, Haufe-Index 413349, BStBl II 1975, 607; vom 10.11.1978, VI R 21/76, Haufe-Index 73032, BStBl II 1979, 219; VI R 112/75, Haufe-Index 73033, BStBl II 1979, 222). Ausnahmen ließ er zu, wenn erst Jahre nach der Wegverlegung der (Zweit)Haushalt am Beschäftigungsort neu begründet wurde (vgl. BFH, Urteil vom 30.10.1987, VI R 76/84, Haufe-Index 61971, BStBl II 1988, 358) oder wenn die Ehegatten (Art. 6 Abs. 1 GG) nach der Heirat die gemeinsame Familienwohnung an einem Ort begründeten (BFH, Urteil vom 06.03.2008, VI R 3/05, BFH/NV 2008, 1314; vom 15.03.2007, VI R 31/05, BFH/NV 2007, 1236, BFH/PR 2007, 291).
2. Seine neue Rechtsprechung entwickelt der BFH nun aus § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG und der Grundstruktur jeder doppelten Haushaltsführung: Der erste Haushalt, der "eigene Hausstand" i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG ist Grundlage jeder doppelten Haushaltsführung. Auch bei der Wegverlegung des Hausstands wird dieser nicht neu begründet, sondern nur verlegt. Deshalb entsteht i.d.S. eine "doppelte" Haushaltsführung erst, wenn zum vorhandenen Haupthaushalt der (Zweit)Haushalt am Beschäftigungsort hinzukommt.
Diese doppelte Haushaltsführung ist aus beruflichem Anlass begründet, wenn die Errichtung des (Zweit)Haushalts beruflich veranlasst ist. Die Errichtung des (Zweit)Haushalts am Beschäftigungsort ist beruflich veranlasst, wenn er der Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen i.S.d. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG dient. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer den (Zweit)Haushalt begründet – einerlei ob durch Bezug einer neuen Wohnung oder durch Umwidmung der bisherigen –, um von dort aus seinen Arbeitsplatz aufsuchen zu können.
Diesem Zweck dient die Begründung und Unterhaltung eines (Zweit)Haushalts am Beschäftigungsort unabhängig davon, aus welchem Grund der Hausstand vom Beschäftigungsort entfernt liegt, also auch dann, wenn der Hausstand wegverlegt und dann der (Zweit)Haushalt errichtet wird. Denn auch dieser (Zweit)Haushalt ist beruflich veranlasst begründet, wenn der Steuerpflichtige ihn einrichtet, um von dort aus die regelmäßige Arbeitsstätte aufzusuchen.
3. Der BFH stellt klar, am Begriff und Motiv der Aufspaltung der Haushalts...