Leitsatz
1. Wendet sich eine Bank gegen die Weitergabe von Unterlagen und Belegen (Beweismaterial) durch die Steuerfahndung an die Wohnsitz-FÄ (Veranlagungsstellen) solcher Bankkunden, gegen die sich das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren, in dessen Rahmen dieses Beweismaterial anlässlich einer Durchsuchung der Bank gewonnen wurde, nicht richtete (nicht verfahrensbeteiligte Bankkunden), so handelt es sich um eine Abgabenangelegenheit, für die der Finanzrechtsweg eröffnet ist.
2. Geld- oder Kapitalanlagen im Ausland, die von den Anlegern über ein deutsches Kreditinstitut in banküblicher Weise abgewickelt werden, sind in Anbetracht der Gewährleistung der Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern (Art. 56 ff. EG) nicht geeignet, einen steuerstrafrechtlichen Anfangsverdacht zu begründen.
Normenkette
§ 208 Abs. 1 AO , § 2 FGO , § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 FGO , § 70 Satz 2 FGO , § 114 FGO , § 128 Abs. 1 FGO und , § 155 FGO
Sachverhalt
Eine Bank will der Steuerfahndungsstelle des FA vom FG verbieten lassen, unter der Herrschaft der Staatsanwaltschaft im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens auf Grund amtsrichterlicher Beschlüsse beschlagnahmte Unterlagen über Auslandstransfers von Geld und Wertpapieren ihrer Kunden den örtlich zuständigen Steuerfahndungsstellen zur weiteren Aufklärung weiterzugeben. Die Unterlagen weisen, soweit streitbetroffen, die Anleger/Kunden mit Namen und Anschrift aus.
Allerdings ist ungeklärt, ob es sich um Namen wirklicher Anleger, um frei erfundene Namen oder um Namen tatsächlich existierender Personen handelt, die aber zur Verschleierung der Identität steuerhinterziehender Anleger fälschlich vorgeschoben wurden. Die Bank hält für den deswegen gestellten Eilantrag den Finanzrechtsweg für gegeben. Das FG hat jedoch die Streitsache an das Oberlandesgericht verwiesen, weil sie zu einem Steuerstrafverfahren gehöre und damit keine Abgabenangelegenheit i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1 FGO sei. Gegen diesen Verweisungsbeschluss richtete die Bank die vom FG zugelassene Beschwerde. Der BFH hat ihr stattgegeben.
Entscheidung
Die Entscheidung beruht im Wesentlichen auf einer tatsächlichen Würdigung des recht unklaren, wenn nicht – so der BFH – widersprüchlichen Verhaltens des FA. Der BFH hat anscheinend der Einlassung des FA, lediglich strafrechtlich ermitteln zu wollen, nicht glauben mögen (ohne dies klar und offen zu sagen und angesichts der von ihm gescheuten tatsächlichen Aufklärung des Sachverhalts sagen zu können).
Das FA hatte – aus der Sicht des BFH – alle Auslandsanlagen von Bankkunden für verdächtig gehalten und deshalb die Richtigkeit auch der in den sog. "offenen Belegen" gemachten Angaben von den örtlich zuständigen Steuerfahndungsstellen nachprüfen lassen wollen. Für die Deutung dieses Ermittlungsziels als strafrechtlich oder dem Besteuerungsverfahren zugehörig stellt der BFH maßgeblich auf den Inhalt der amtsrichterlichen Beschlagnahmebeschlüsse ab, in dem er das Ziel des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gleichsam ein für allemal fixiert sieht. Man kann sich demgegenüber wohl fragen, ob nicht in Wahrheit die Staatsanwaltschaft Herr des Verfahrens ist und jederzeit ihr Ermittlungsziel (ggf. neu) definieren kann.
Mit Recht beanstandet hingegen der BFH die Ansicht des FA, die Durchführung eines banküblichen Auslandsgeschäfts könne den Verdacht einer Steuerhinterziehung begründen und rechtfertige die Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen den Auslandsanleger. Der BFH sieht darin eine willkürliche Diskriminierung gegenüber dem inländischen Kapital- und Zahlungsverkehr oder zumindest eine gemeinschaftsrechtlich unzulässige verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs.
Im Übrigen zeigt der Beschluss eine gewisse Tendenz, die Zuständigkeit der Finanzrechtsprechung bei Maßnahmen der Steuerfahndung, die das (leider sog.) "Bankgeheimnis" berühren – zu Lasten der Strafrechtspflege –, extensiv zu interpretieren.
Hinweis
Für eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit über eine Abgabenangelegenheit i.S.d. § 33 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 FGO ist der Finanzrechtsweg eröffnet. In einer Angelegenheit, die dem Straf- oder Bußgeldverfahren zuzurechnen ist, findet die FGO hingegen keine Anwendung (§ 33 Abs. 3 FGO). Für sie ist der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben.
Der BFH hat die schwierige Abgrenzung, wann eine Maßnahme der Steuerfahndung im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren vorliegt (Folge: Rechtsweg zum ordentlichen Gericht) und wann es sich um eine Maßnahme der Steuerfahndung zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen handelt (Finanzrechtsweg) bisher danach vorgenommen, wie die Steuerfahndung ihr eigenes Tun legitimiert. Will sie strafrechtlich vorgehen, unterwirft sie sich damit der Jurisdiktionsgewalt der ordentlichen Gerichte; will sie Besteuerungsgrundlagen ermitteln, unterwirft sie sich damit der Finanzgerichtsbarkeit.
Ist allerdings gegen die Person, ge...