OFD Nordrhein-Westfalen, Verfügung v. 4.11.2016, Kurzinformation ESt Nr. 09/2014
Regelmäßig wiederkehrende Ausgaben, die bei dem Stpfl. kurze Zeit vor Beginn oder kurze Zeit nach Beendigung des Kalenderjahrs, zu dem sie wirtschaftlich gehören, abgeflossen sind, gelten als in diesem Kalenderjahr geleistet (vgl. § 11 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 EStG). Die nachfolgend dargestellte Rechtslage für die steuerliche Behandlung von USt-Vorauszahlungen, die gem. BFH-Urteil vom 1.8.2007 (BStBl 2008 II S. 282) als regelmäßig wiederkehrende Ausgaben in diesem Sinne anzusehen sind, gilt ausnahmslos für alle offenen Fälle. Billigkeitsmaßnahmen aus sachlichen Gründen kommen nicht in Betracht. Insbesondere liegt keine Verletzung der Fürsorgepflicht im Sinne des § 89 Abs. 1 Satz 1 AO vor, weil das Finanzamt nur dann die Berichtigung von Erklärungen anregen soll, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unrichtig abgegeben worden sind. Von einer Offensichtlichkeit ist bei einem fehlerhaften Ansatz von Umsatzsteuervorauszahlungen als Betriebsausgaben nicht auszugehen, weil solche Fehler erst durch konkrete Prüfung und Sichtung des Erhebungskontos erkennbar werden.
1. Fälligkeit und Zahlung innerhalb kurzer Zeit
Als kurze Zeit i.S. des § 11 EStG ist ein Zeitraum bis zu 10 Tagen anzusehen. Innerhalb dieses Zeitraumes müssen die Zahlungen fällig und geleistet worden sein (H 11 „Allgemeines” EStH 2014); beide Voraussetzungen (Fälligkeit und Abfluss) müssen kumulativ vorliegen.
In folgenden Fällen findet § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG daher keine Anwendung, weil nur die Zahlung innerhalb kurzer Zeit nach Ende des Kalenderjahres erfolgt ist, der Fälligkeitszeitpunkt aber außerhalb des Zeitraums liegt:
- Umsatzsteuer Dezember 2012, Fälligkeit 10.2.2013, Zahlung 7.1.2013
- Umsatzsteuer III. Quartal 2012, Fälligkeit 10.11.2012, Zahlung 7.1.2013.
2. Keine Verlängerung des 10-Tages-Zeitraums
Der 10-Tages-Zeitraum kann auch in besonderen Einzelfällen nicht erweitert werden (BFH vom 6.11.2002, X B 30/02, BFH/NV 2003 S. 169). Die Ausnahmeregelung vom Abflussprinzip ist deshalb nicht anwendbar, wenn sich die Fälligkeit der USt-Vorauszahlung nach § 108 Abs. 3 AO auf den nächstfolgenden Werktag und damit auf einen Zeitpunkt nach dem 10. Januar verschiebt (vgl. § 18 Abs. 1 Satz 3 UStG, § 108 Abs. 3 AO).
Dies war zuletzt bei am Samstag, dem 10.1.2009, am Sonntag, dem 10.1.2010, am Samstag, dem 10.1.2015 und am Sonntag, dem 10.1.2016 fälligen USt-Vorauszahlungen der Fall.
Der BFH hat inzwischen aufgrund der gegen das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 24.2.2012, 3 K 468/11, eingelegten Revision mit Urteil vom 11.11.2014, VIII R 34/12 (BStBl 2015 II S. 285) die Rechtsauffassung bestätigt, dass in diesen Fällen eine Berücksichtigung der USt-Zahlung im Kalenderjahr der wirtschaftlichen Zugehörigkeit nicht zulässig ist. Die bisher im Hinblick auf das Revisionsverfahren ruhenden Einsprüche können ab sofort entsprechend den Entscheidungsgrundsätzen des BFH-Urteils erledigt werden.
In diesem Zusammenhang weise ich aus gegebener Veranlassung ergänzend auf Folgendes hin:
3. Besonderheiten bei einer Fälligkeitsverschiebung nach § 108 Abs. 3 AO auf einen Zeitpunkt außerhalb des 10-Tages-Zeitraums bei Überweisung innerhalb des kurzen Zeitraums
Das Finanzgericht Thüringen hat entschieden, dass eine aufgrund der Regelung des § 108 Abs. 3 AO nach dem 10.01. fällige, aber vom Steuerpflichtigen bis zum 10.01. per Banküberweisung geleistete Umsatzsteuervorauszahlung entgegen der Verwaltungsauffassung im Vorjahr als Betriebsausgabe abzuziehen ist. Soweit es bei der Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 EStG darum gehe, ob nicht nur der Abflusszeitpunkt einer USt-Vorauszahlung, sondern auch ihr Fälligkeitszeitpunkt innerhalb des maßgebenden Zehntageszeitraums liegen, sei im Wege teleologischer Reduktion die Regelung des § 108 Abs. 3 AO nicht anzuwenden, sondern stattdessen von dem gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkt des § 18 Abs. 1 Satz 4 UStG auszugehen, selbst wenn der 10.01. des Folgejahres auf einen Samstag oder Sonntag falle.
Das beklagte Finanzamt hat gegen das Urteil Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt, die beim BFH unter dem Az. X B 90/16 anhängig ist. Es bestehen keine Bedenken, entsprechende Einsprüche bis zur Entscheidung des BFH ruhen zu lassen.
4. Besonderheiten beim Lastschrifteinzug, bei Überweisungen und Scheckzahlung
Bei Erteilung einer Lastschrifteinzugsermächtigung ist der Abfluss i.S. des § 11 Abs. 2 Satz 1 bzw. Satz 2 EStG unabhängig von einer späteren tatsächlichen Inanspruchnahme durch das Finanzamt und einer Widerrufsmöglichkeit des Stpfl. im Zeitpunkt der Fälligkeit der USt-Vorauszahlung anzunehmen, soweit das betreffende Konto im Fälligkeitszeitpunkt eine hinreichende Deckung aufweist. Der Stpfl. hat zu diesem Zeitpunkt von sich aus durch Erteilung der Lastschrifteinzugsgenehmigung und Abgabe der entsprechenden Umsatzsteuervoranmeldung alles Erforderliche getan, um den Leistungserfolg herbeizuführen. Auf den tatsächlichen Er...