Dipl.-Finanzwirt Arthur Röck
Zusammenfassung
Bei einem Reihengeschäft schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte ab, und die Ware gelangt durch eine Beförderung bzw. Versendung unmittelbar vom ersten Lieferanten an den letzten Abnehmer in der Reihe. Bei grenzüberschreitenden Reihengeschäften kommt eine Steuerbefreiung für Ausfuhr- oder innergemeinschaftliche Lieferungen nur für eine sog. "bewegte Lieferung" bzw. "Lieferung mit Warenbewegung" in Betracht. Die anderen Lieferungen sind steuerpflichtig.
1 Wann liegt ein Reihengeschäft vor?
Ein umsatzsteuerliches Reihengeschäft liegt vor, wenn mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Liefergeschäfte abschließen und diese dadurch erfüllen, dass der Liefergegenstand durch einen am Reihengeschäft beteiligten Unternehmer körperlich unmittelbar vom ersten Lieferer an den letzten Abnehmer befördert oder versendet wird. An Reihengeschäften können auch Nichtunternehmer als letzte Abnehmer in der Reihe beteilgt sein.
Das erforderliche unmittelbare Gelangen ist auch gegeben, wenn die Beförderung oder Versendung an einen – nicht unmittelbar in die Liefervorgänge eingebundenen – beauftragten Dritten ausgeführt wird (z. B. an Lohnveredeler oder Lagerhalter).
Wird der Liefergegenstand durch einen vom Lieferer beauftragten Dritten vorher be- oder verarbeitet, ist Gegenstand der Lieferung der be- oder verarbeitete Gegenstand.
Erfolgt die Beförderung oder Versendung durch mehrere beteiligte Unternehmer ist nach deutscher Auffassung kein unmittelbares Gelangen und somit kein Reihengeschäft gegeben (sog. gebrochene Beförderung/Versendung).
Bei einer gebrochenen Beförderung oder Versendung aus einem anderen Mitgliedstaat ins Drittlandsgebiet ist die Behandlung als Reihengeschäft nicht zu beanstanden, wenn der erste Unternehmer den Liefergegenstand aus dem Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung (Abgangsmitgliedstaat) nur zum Zweck der Verschiffung ins Drittlandsgebiet in das Inland befördert oder versendet, auf Grund des Rechts des Abgangsmitgliedstaats die Behandlung als Reihengeschäft vorgenommen worden ist und der Unternehmer, dessen Lieferung bei Nichtannahme eines Reihengeschäfts im Inland steuerbar wäre, dies nachweist.
Viele Mitgliedstaaten dagegen erlauben Konstellationen, bei denen aus logistischen Gründen mehrere Parteien für den Transport zuständig sind. Die Unternehmer müssen also weiter mit dem Risiko der Straferwerbsteuer leben, wenn zwei Mitgliedstaaten diese Frage unterschiedlich handhaben.
Kein Reihengeschäft bei gebrochener Beförderung/Versendung
Unternehmer D 1 aus München veräußert eine Maschine an den Unternehmer D 2 aus Hamburg, der die Maschine an Unternehmer S aus Schweden weiterverkauft. Vereinbarungsgemäß bringt D 1 die Maschine zu D 2 nach Hamburg. S beauftragt einen Reeder, die Maschine von Hamburg nach Schweden zu verschiffen. S verwendet gegenüber D 2 seine schwedische USt-IdNr.
Vorliegend handelt es sich um eine gebrochene Beförderungs- und Versendungslieferung und somit nicht um ein Reihengeschäft. Beide Lieferungen gelten als am Abgangsort Deutschland bewirkt.
Die Lieferung 1 des D 1 ist nicht nach § 6a UStG steuerfrei, da weder der Lieferer D 1 noch sein Abnehmer D 2 die Maschine nach Schweden befördert oder versendet haben.
Die Lieferung 2 des D 2 an S ist steuerfrei nach § 6a UStG, da die Versendung vom Abgangsort Hamburg nach Schweden durch den S als Abnehmer des D 2 erfolgte.
Fiktive Reihengeschäfte bei Einbeziehung elektronischer Schnittstellen
Ab dem 1.7.2021 gibt es eine neue Sonderform von Reihengeschäften, die sog. fiktiven Reihengeschäfte bei Einbeziehung von Betreibern elektronischer Schnittstellen (Marktplätze) in Lieferketten. Nach § 3 Abs. 3a Satz 1 UStG werden Unternehmer, die mittels ihrer elektronischen Schnittstelle Lieferungen von Gegenständen durch einen nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmer an einen Nichtunternehmer unterstützen, deren Beförderung oder Versendung im Gemeinschaftsgebiet beginnt und endet, so behandelt, als ob sie diese Gegenstände für ihr Unternehmen selbst erhalten und geliefert hätten. Gleiches gilt nach § 3 Abs. 3a Satz 2 UStG für die Unterstützung von Fernverkäufen von aus dem Drittlandsgebiet eingeführten Gegenständen in Sendungen mit einem Sachwert von höchstens 150 EUR mittels einer elektronischen Schnittstelle. Obwohl tatsächlich nur ein einziges Verkaufsgeschäft vorliegt, werden für...