Prof. Rolf-Rüdiger Radeisen
Wenn U1 den Gegenstand der Lieferung befördert oder versendet hat, ist (zwingend nach § 3 Abs. 6a Satz 2 UStG) die erste Lieferung die Beförderungslieferung, deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG bestimmt. Die Lieferung von U1 ist damit im Inland ausgeführt und nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG steuerbar. Eine Steuerbefreiung kommt in dem vorliegenden Fall nicht zur Anwendung.
Keine i. g. Lieferung ohne USt-IdNr.
Grundsätzlich könnte eine i. g. Lieferung nach § 6a Abs. 1 UStG vorliegen, da der Gegenstand im Rahmen dieser Lieferung von Deutschland nach Polen gelangt. Der Erwerber U2 müsste aber in einem anderen Mitgliedstaat für Zwecke der Umsatzsteuer erfasst sein und außerdem auch mit einer USt-IdNr. aus einem anderen Mitgliedstaat (als aus Deutschland) gegenüber dem U1 auftreten. Da U2 aber nach den Sachverhaltsangaben mit einer USt-IdNr. aus Deutschland aufgetreten ist, kann die Lieferung des U1 keine steuerfreie i.g. Lieferung sein.
Da es sich bei der Lieferung des U1 um eine steuerpflichtige Lieferung handelt, ist U1 berechtigt, seinem Abnehmer die deutsche Umsatzsteuer gesondert in einer Rechnung auszuweisen. Diese Umsatzsteuer ist bei dem Leistungsempfänger auch zum Vorsteuerabzug zugelassen.
Die Lieferungen von U2 an U3 und von U3 an den Abnehmer sind jeweils unbewegte Lieferungen, die im Rahmen des Reihengeschäfts als nach der Beförderungslieferung ausgeführte Lieferungen dort erbracht sind, wo sich die Ware am Ende der Beförderung befindet. Folglich sind beide Lieferungen in Polen ausgeführt, dort steuerbar und auch steuerpflichtig. Damit muss sich auch der deutsche Unternehmer U2 für diese Lieferung in Polen der Besteuerung unterwerfen.
Keine Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens bei reinen Lieferungen
Eine Übertragung der Steuerschuldnerschaft nach § 13b UStG (zumindest entsprechend der in Deutschland vertretenen Rechtsauffassung) kann sich bei einer Lieferung nicht ergeben. U2 ist damit Steuerschuldner für seine von ihm ausgeführte Lieferung in Polen.
Darüber hinaus hat U2 auch einen i. g. Erwerb in Polen zu besteuern, da bei der Lieferung an ihn der Gegenstand aus Deutschland nach Polen gelangt, der Erwerber ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen bezieht und der Lieferer ein Unternehmer und auch kein Kleinunternehmer ist. Dass U2 nicht mit einer polnischen USt-IdNr. auftritt und damit aus deutscher Sicht bei U1 keine steuerfreie i. g. Lieferung vorliegen kann, ist für die Besteuerung des i. g. Erwerbs ohne Bedeutung. Der Ort des i. g. Erwerbs ist nach § 3d Satz 1 UStG in Polen.
Da U2 gegenüber U1 mit seiner deutschen USt-IdNr. aufgetreten ist, muss U2 auch noch in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb besteuern. Die allgemeinen Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1-3 UStG liegen vor, insbesondere gelangt der Gegenstand im Rahmen dieses Rechtsgeschäfts von Deutschland nach Polen und der Erwerber ist ein Unternehmer, der den Gegenstand für sein Unternehmen bezieht. Da U2 mit einer USt-IdNr. aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Zielstaat aufgetreten ist, ist der i. g. Erwerb auch solange als in dem Mitgliedstaat ausgeführt zu behandeln, aus dem die USt-IdNr. stammt, bis er die Besteuerung in Polen nachweisen kann.
Eine Vorsteuerabzugsberechtigung ergibt sich für U2 in Deutschland aus dem i. g. Erwerb nicht. Nach der Rechtsprechung des EuGH und der gesetzlichen Vorschrift in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG kann die Erwerbsteuer nur in dem Mitgliedstaat als Vorsteuer abgezogen werden, in dem sich der Gegenstand der Lieferung am Ende der Beförderung oder Versendung befindet.
Doppelbesteuerung nur durch Rückgängigmachung vermeidbar
Die Belastung mit Umsatzsteuer bei den i. g. Erwerben nach § 3d Satz 2 UStG kann nur über eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG korrigiert werden, wenn der Unternehmer nachweisen kann, dass er den i. g. Erwerb zutreffend im Bestimmungsland der Besteuerung unterworfen hat.