Dipl.-Finw. (FH) Wilhelm Krudewig
Ob und wo der Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte hat, ist gem. § 9 Abs. 4 EStG in mehreren Schritten zu prüfen. Dabei ist zwingend die folgende Reihenfolge einzuhalten:
- Der Arbeitgeber hat die erste Tätigkeitsstätte festgelegt (auf die Qualität der Tätigkeit kommt es nicht an).
- Ohne Festlegung bzw. ohne eindeutige Festlegung durch den Arbeitgeber sind die gesetzlich vorgegebenen Merkmale entscheidend.
4.3.1 Der Arbeitgeber legt die erste Tätigkeitsstätte fest
Ordnet der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmer arbeits- oder dienstrechtlich einer bestimmten Tätigkeitsstätte dauerhaft zu, befindet sich dort seine "erste Tätigkeitsstätte". Diese Zuordnung kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Der Arbeitgeber kann z. B. aus organisatorischen Gründen eine bestimmte Betriebsstätte (Dienststelle) als erste Tätigkeitsstätte festlegen, er muss es aber nicht.
Was auf jeden Fall beachtet werden muss
Es liegt keine erste Tätigkeitsstätte vor, wenn die Zuordnung allein aus tarifrechtlichen, mitbestimmungsrechtlichen oder organisatorischen Gründen (z. B. zur Führung der Personalakten) erfolgt. Eine erste Tätigkeitsstätte liegt allerdings vor, wenn die Zuordnung sich auf die Tätigkeit des Arbeitnehmers bezieht. Auf die Qualität der Tätigkeit (also auch auf den Umfang der Tätigkeit) kommt es nicht an.
Konsequenz: Hat der Arbeitgeber eine erste Tätigkeitsstätte seines Arbeitnehmers (z. B. die GmbH für ihren angestellten Gesellschafter) wirksam festgelegt, dann ist dies auch für das Finanzamt verbindlich.
Bei einem Firmen-Pkw sind die Kosten nicht als Betriebsausgaben abziehbar, die über die Entfernungspauschale hinausgehen. Die nicht abziehbaren Kosten müssen pauschal ermittelt werden, wenn die private Pkw-Nutzung nach der pauschalen 1 %-Methode ermittelt wird. Auswirkungen auf die Umsatzsteuer ergeben sich bei Einzelunternehmern nicht. Bei Personengesellschaften ist allerdings von einem Leistungsaustausch auszugehen, bei dem Umsatzsteuer anfällt.
4.3.2 Dauerhafte Zuordnung bei Leiharbeitnehmern
Beruflich veranlasste Fahrtkosten sind Erwerbsaufwendungen. Handelt es sich bei den Aufwendungen des Arbeitnehmers um Wege zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte, kann grundsätzlich nur die Entfernungspauschale für jeden vollen Kilometer der Entfernung zwischen Wohnung und erster Tätigkeitsstätte von 0,30 EUR angesetzt werden.
Die erste Tätigkeitsstätte ist die ortsfeste betriebliche Einrichtung des Arbeitgebers, eines verbundenen Unternehmens oder eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten, dem der Arbeitnehmer dauerhaft zugeordnet ist. Von einer dauerhaften Zuordnung ist insbesondere auszugehen, wenn der Arbeitnehmer unbefristet, für die Dauer des Dienstverhältnisses oder über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus an einer solchen Tätigkeitsstätte tätig werden soll.
Bei der Überlassung eines Arbeitnehmers, die nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) erfolgt, ist der Verleiher lohnsteuerrechtlich als Arbeitgeber anzusehen. Für die Frage, ob der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist, ist das Arbeitsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber (Verleiher) und dem (Leih-) Arbeitnehmer maßgeblich. Eine dauerhafte Zuordnung liegt nicht vor, wenn der Arbeitnehmer wiederholt, aber befristetet beim Entleiher eingesetzt wird.
Fahrten eines Leiharbeitnehmers
Der Kläger ist mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag bei einem Personaldienstleister angestellt, der Arbeitnehmer im Rahmen von Zeitarbeit überlässt. Laut Arbeitsvertrag sollte der Kläger als überbetrieblicher Mitarbeiter bei Kunden eingesetzt werden, ohne dass dadurch ein Vertragsverhältnis zu dem jeweiligen Kunden begründet wird. Der Kläger machte seine Fahrten nach Dienstreisegrundsätzen in Höhe von 5.162,40 EUR als Werbungskosten geltend (239 Tage x 36 km x 0,30 EUR x 2). Das Finanzamt berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid nur die Entfernungspauschale, die es um den steuerfreien Fahrtkostenersatz kürzte (= 2.120 EUR).
Das Finanzamt und das Finanzgericht sind zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Betrieb des Entleihers die erste Tätigkeitsstätte des Klägers war. Für die Beurteilung ist das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Entleihfirma maßgeblich (sog. Leiharbeitsverhältnis). Der BFH gab dem Kläger Recht, weil für das Aufsuchen einer ersten Tätigkeitsstätte auf die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Arbeitgebers abzustellen ist. Dabei kommt es in Fällen der Arbeitnehmerüberlassung grundsätzlich nicht auf die Vereinbarungen zwischen dem Verleiher und dem Entleiher an. Das Arbeitsverhältnis des Klägers zu seinem Arbeitgeber (Personaldienstleister) war unbefristet. Die Überlassung des Klägers an den Entleiher erfolgte dennoch jeweils befristet. Der weitere Einsatz des Klägers bei dem Entleiher war somit davon abhängig, dass der Entleiher nach Ablauf der jeweiligen Frist mit dem Personaldienstleister eine weitere (wiederum befristete) Arbeitnehmerüberlassung vereinbarte.
Fazit: Der Kläger stand in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum Verleiher. Damit war der Kläger bezogen auf die betriebliche Einrichtung beim Entle...