Leitsatz
1. Der gesetzlich geforderte Zehnjahreszeitraum der sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
2. Der jeweilige Höchstbeitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung ist auch dann maßgeblich, wenn nur für einen Teil des Jahrs Beiträge gezahlt worden sind.
3. Zahlungen in eine (befreiende) Lebensversicherung sind bei der Berechnung der geleisteten jährlichen Beiträge nicht zu berücksichtigen, wenn die Lebensversicherung steuerfrei ausgezahlt wurde bzw. werden kann.
Normenkette
§ 22 Nr. 1 S. 3a aa und bb EStG
Sachverhalt
Der Kläger leistete von 1940 bis 1986 Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung. 1968 schloss er daneben für die Zeit bis 1991 eine (befreiende) Lebensversicherung ab. Für die mit dem Kläger zusammen veranlagte Klägerin wurden von 1988 bis 1992 Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung entrichtet, darunter zwei freiwillige nachträgliche Zahlungen, die in den Jahren 1990 und 1992 für den Zeitraum von 1949 bis 1959 geleistet wurden und durch die in zehn Jahren die jeweiligen Höchstbeiträge überschritten wurden.
Die Rentenzahlungen der Kläger wurden 2005 vom FA zur Hälfte als steuerpflichtige Einnahmen bei den sonstigen Einkünften der Besteuerung zugrunde gelegt. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage begründeten die Kläger damit, ihre Altersrenten seien nicht zur Hälfte, sondern nur in Höhe der niedrigeren Ertragsanteile steuerpflichtig. Das FG wies die Klage ab (FG Münster, Urteil vom 14.10.2008, 14 K 3990/06 E, Haufe-Index 2079092, EFG 2009, 110).
Ihre Revision begründeten die Kläger mit der fehlerhaften Anwendung der Öffnungsklausel. Bei der Berechnung der Beitragszahlungen hätten sowohl die Beiträge des Klägers für die befreiende Rentenversicherung als auch die Nachzahlungen der Klägerin für die nachgezahlten Jahre berücksichtigt werden müssen.
Entscheidung
Der BFH gab der Klägerin aus den in den Praxis-Hinweisen unter 1. stehenden Gründen recht. Der Kläger hatte mit seinem Vorbringen aufgrund der Erwägungen unter 3. und 4. keinen Erfolg. Zur Ermittlung des Anteils der Rente der Klägerin, der mit dem Ertragsanteil zu versteuern ist, verwies der BFH das Verfahren an das FG zurück.
Hinweis
Mit diesem Urteil des X. Senats dürften die grundsätzlichen Fragen zur Besteuerung der Altersrenten, die durch das AltEinkG neu geregelt wurde – jedenfalls aus Sicht des BFH –, zunächst geklärt sein.
Im Anschluss an die Senatsurteile vom 26.11.2008, X R 15/07 (BFH/NV 2009, 278, BFH/PR 2009, 90) und vom 19.01.2010, X R 53/08 (BFH/NV 2010, 986, BFH/PR 2010, 216) wird auch in diesem Urteil die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Neuregelung der Besteuerung der Altersrenten bestätigt, sofern – wie im vorliegenden Fall – das Verbot der doppelten Besteuerung beachtet wird. Neu sind einige grundsätzliche Aussagen zur sog. Öffnungsklausel des § 22 Nr. 1 S. 3 Buchst. a Doppelbuchst. bb S. 2 EStG.
Nach dieser Vorschrift unterliegen auf Antrag auch Leibrenten der gesetzlichen Rentenversicherung, der berufsständischen Versorgungswerke u. ä. der Ertragsanteilsbesteuerung, soweit sie auf bis zum 31.12.2004 geleisteten Beiträgen beruhen, welche oberhalb des Betrags des Höchstbeitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt wurden. Dabei muss der Steuerpflichtige nachweisen, dass der Höchstbeitrag mindestens zehn Jahre überschritten wurde.
1. Bereits entschieden wurde, dass es bei den Beitragszahlungen nicht allein darauf ankommt, in welchem Jahr die Beiträge gezahlt wurden, sondern auch darauf, für welche Jahre die Beiträge geleistet wurden; das sog. In-Prinzip ist insofern nicht uneingeschränkt anwendbar (BFH, Urteil vom 19.01.2010, X R 53/08, BFH/NV 2010, 986, BFH/PR 2010, 216).
2. Der jährliche Höchstbeitrag ist für die Höchstbetragsberechnung auch dann maßgebend, wenn nur für einen Teil des Jahrs Beiträge geleistet wurden (vgl. auch BMF, Schreiben vom 30.01.2008, BStBl I 2008, 390, Rz. 141). Da es sich beim Sonderausgabenabzug um Jahresbeträge handelt, die nicht anteilig gewährt werden, ist es konsequent, bei der Anwendung der Öffnungsklausel auch auf die Jahresbeiträge abzustellen.
3. Zahlungen in eine (befreiende) Lebensversicherung sind nicht zu berücksichtigen, da die Rentenleistungen nicht auf den Zahlungen an die Lebensversicherung beruhen. Zudem kann eine Doppelbesteuerung nicht eintreten, da die (Einmal-)Leistung der Lebensversicherung steuerfrei vereinnahmt werden konnte.
4. Der gesetzlich geforderte Zehnjahreszeitraum wird vor allem vor dem Hintergrund der Administrierbarkeit und Praktikabilität dieser Ausnahmevorschrift als verfassungsgemäß angesehen. Er habe den Zweck, Zufälligkeiten einzelner Jahre unberücksichtigt zu lassen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass die Altersversorgung normalerweise langfristig angelegt sei und ein bestimmtes Versorgungsniveau sichern solle, sodass durch den Zahnjahreszeitraum ein typischer Fall abgebildet werde.
5. Aufgrund der sog. Öffnungsklausel wird nicht im konkreten Ein...