Prof. Dr. Werner Gleißner
Abwägen erwarteter Erträge und Risiken als Kerngedanke
Es ist das zentrale Anliegen einer wertorientierten Unternehmensführung, dass bei der Vorbereitung unternehmerischer Entscheidungen die zu erwartenden Erträge und Risiken gegeneinander abgewogen werden. Abb. 5 verdeutlicht diese Grundidee.
Abb. 5: Ertrag und Risiko abwägen
Durch die Identifikation, quantitative Beschreibung und Aggregation der Risiken eines Projekts kann der Gesamtrisikoumfang (auf der x-Achse), z. B. ausgedrückt im Eigenkapitalbedarf (VaR), den erwarteten Erträgen des Projekts gegenübergestellt werden. Diese Quantifizierung der Risiken ermöglicht es, zunächst zu überprüfen, ob der mit dem Projekt verbundene aggregierte Gesamtrisikoumfang vom Unternehmen getragen werden kann (Maximalrisikolinie, abgeleitet aus Eigenkapital- und Liquiditätsreserven, d. h. Risikotragfähigkeit bzw. Ziel-Rating). Zudem erfordert ein höherer Risikoumfang einen höheren zu erwartenden Gewinn (oder eine höhere Rendite), d. h., die Projekte sollten ein günstiges Ertragsrisikoprofil aufweisen, um die Durchführung bzw. Investition zu rechtfertigen.
Will man die Positionierung eines Projekts oder Unternehmens aus dem Rendite-Risiko-Diagramm, wie in Abb. 5 dargestellt, durch eine Kennzahl ausdrücken, gelangt man unmittelbar zu den Performancemaßen. Ein Performancemaß ergibt sich durch die Kombination des Erwartungswerts des Ergebnisses, z. B. des Gewinns, mit einem zugehörigen Risikomaß.
Ein Performancemaß ist betriebswirtschaftlich ein Erfolgsmaßstab. Eine positive Ausprägung des Performancemaßes drückt aus, dass der Erwartungswert des Ergebnisses höher ist als die aus dem Risikoumfang abgeleitete Mindestanforderung an das erwartete Ergebnis – und dass so Wert geschaffen wird.
Performancemaße drücken erwartetes Ergebnis und Risikomenge in einer Kennzahl aus
Eine Performancemessung kann ex ante oder ex post durchgeführt werden. Ein Ex-ante-Performancemaß dient dabei als prognostizierter Erfolgsmaßstab der Entscheidungsvorbereitung für (oder gegen) eine unternehmerische Aktivität, z. B. eine Investition. Dabei wird der Unsicherheit jeder Zukunftsprognose (über eine Zielgröße X), die Grundlage der ökonomischen Entscheidung ist, explizit Rechnung getragen.
Solche Performancemaße sind daher Kennzahlen, die sich aus der Kombination (operationalisiert durch eine Funktion f) des erwarteten Ergebnisses , z. B. erwarteter Gewinn, mit einem geeigneten Risikomaß , wie Standardabweichung oder Value at Risk, ergeben. Das Risikomaß zeigt dabei den Umfang möglicher Planabweichungen.
Ein Performancemaß ist der RAVA. RAVA steht für Risk Adjusted Value Added. Im Gegensatz zu den heute üblichen Performancemaßen wie EVA (Economic Value Added) werden bei diesem Performancemaß aggregierte Ertragsrisiken adäquat und planungskonsistent erfasst.
Der RAVA reduziert also den erwarteten Gewinn (erwartetes Betriebsergebnis abzüglich risikoloser Verzinsung des eingesetzten Kapitals CE) um einen Risikoabschlag ("Wagniskosten"). Als Risikomaß wird hier oft der Eigenkapitalbedarf herangezogen.
Die Anwendung des Performancemaßes RAVA ist einfach. In dem kleinen Fallbeispiel zur Risikoaggregation in Kap. 4. wurde ein erwarteter Gewinn des Unternehmens von 0,33 Mio. EUR (nach Zinsaufwand, ) und ein "Eigenkapitalbedarf" von 1,4 Mio. EUR (Value at Risk zum 5-%-Niveau) bestimmt. Geht man (vereinfachend) von einem Risikozuschlag für das Eigenkapital von 10 % aus, sind bei der "Performancebeurteilung" des Unternehmens damit kalkulatorische Eigenkapitalkosten von 10 % × 1,4 Mio. EUR, also 0,14 Mio. EUR zu berücksichtigen. Entsprechend berechnet sich für RAVA:
RAVA = erwarteter Gewinn – 10 % × Eigenkapitalbedarf
= 0,33 – 10 % × 1,4 = 0,19 Mio. EUR.