Leitsatz
Die von § 2 Abs. 1 InvStG 2004 nicht erfasste Ausschüttung eines sog. Liquiditätsüberhangs ("negativ thesaurierte Erträge") führt im Rahmen der betrieblichen Bewertung der Immobilienfonds-Anteile des Ausschüttungsempfängers nicht zu einer Minderung der Anschaffungskosten; vielmehr ist ein passiver Ausgleichsposten zu bilden, der im Zeitpunkt der Rückgabe/Veräußerung der Anteile gewinnerhöhend aufzulösen ist.
Normenkette
§ 2 Abs. 1, § 1 Abs. 3, § 3 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, § 4, § 8 Abs. 5 InvStG 2004, § 99 FGO, § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 255 Abs. 1 HGB, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 45 KAGG
Sachverhalt
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Sparkasse, hielt Anteile an mehreren Immobilienfonds i.S.d. InvG. Die Fonds nahmen Ausschüttungen vor, die nach § 2 InvStG 2004 bzw. § 45 KAGG nicht steuerpflichtig waren.
Nach einer Außenprüfung (Prüfungsjahre 2007 bis 2010) vertrat das Finanzamt die Ansicht, dass für jene Ausschüttungen passive Ausgleichsposten zu bilden und im Zeitpunkt der Rückgabe der Investmentanteile gewinnerhöhend aufzulösen seien. Den bisher nicht bilanzierten Bestand aus den Vorjahren buchte es zum 1.1.2007 erfolgsneutral ein. Im jeweiligen Zeitpunkt der Rückgabe von Anteilen löste es den Posten anteilig gewinnerhöhend auf.
Dass FG entschied durch Zwischenurteil (FG Münster, Urteil vom 19.2.2018, 13 K 1278/14 K,G,F, Haufe-Index 11659040, EFG 2018, 781), dass die Gewinnerhöhungen zu Recht erfolgt seien. Aufgrund der Ausschüttungen sei entweder ein passiver Ausgleichsposten zu bilden oder es seien die Anschaffungskosten der Anteile zu mindern. Beides führe bei Rückgabe der Anteile zur Erhöhung des Gewinns.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision gegen das Zwischenurteil als unbegründet zurück, führte aber aus, dass die Höhe des angesetzten Gewinns im Endurteil zu prüfen ist. Die Kosten des Revisionsverfahrens legte er der Klägerin auf, weil bei der erfolglosen Revision gegen ein Zwischenurteil eine Kostenentscheidung zu treffen sei.
Hinweis
Vom BFH zu entscheiden war, ob im Zeitpunkt der Rückgabe von Anteilen an Immobilienfonds, die im Betriebsvermögen gehalten wurden, während der Behaltenszeit angefallene "negativ thesaurierte Erträge" gewinnerhöhend anzusetzen sind.
1. Sie liegen vor, wenn aus dem Investmentvermögen der durch AfA/AfS entstandene Liquiditätsüberhang ausgeschüttet wird. Investmentsteuerrechtlich war dieser Vorgang – so der BFH – "steuerneutral".
2. Werden Fondsanteile zurückgegeben, entsteht ein Gewinn in Höhe der Differenz zwischen dem Rücknahmepreis und dem Buchwert der Anteile (entspricht zumeist den historischen Anschaffungskosten).
Der BFH hat dazu klargestellt, dass die negativ thesaurierten Erträge die Anschaffungskosten nicht mindern. § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 3 Abs. 3 InvStG 2004 modifizierten den Anschaffungskostenbegriff des § 255 HGB bei betrieblichen Anlegern nicht.
3. Allerdings hat der BFH angenommen, dass für ausgeschüttete negativ thesaurierte Erträge beim betrieblichen Anleger ein passiver Ausgleichsposten zu bilden ist, der im Zeitpunkt der Gewinnrealisation (z.B. Veräußerung oder Rückgabe der Anteile) gewinnerhöhend aufzulösen ist.
a) Das Investmentsteuerrecht trifft nach Auffassung des BFH insoweit keine eigenständige (abschließende) Regelung. Insbesondere komme § 2 Abs. 1 Satz 1 (i.V.m. § 1 Abs. 3 Satz 2) InvStG 2004 mit seiner Regelung zum Umfang der Steuerpflicht von aus dem Fonds ausgeschütteten Erträgen keine Begrenzungswirkung hinsichtlich des Umfangs einer steuerbaren Betriebsvermögensmehrung beim bilanzierenden Anleger zu. Die Wirkung sei auf die Ermittlung der Einkünfte auf der Ebene des Investmentfonds beschränkt.
b) Wenn bei der Gewinnermittlung des bilanzierenden Anlegers auch Vermögensmehrungen erheblich sein können, die beim privaten Anleger nicht besteuert werden, sei aber der Zeitpunkt der Gewinnrealisierung nicht der Zuflusszeitpunkt, weil durch die Ausschüttung der "innere Wert" der Anteile gemindert werde. Eine steuerrechtliche Auswirkung ergebe sich (erst) bei Realisation ("Nachversteuerung"). Diese geschehe durch Bildung eines passiven Ausgleichspostens im Zeitpunkt der Ausschüttung und Auflösung im Zeitpunkt der Realisation. Die gesetzlichen Grundlagen (InvG, HGB und EStG) reichten hierfür aus.
4. Soweit der betriebliche Anleger in Vorjahren bestandskräftig solche passiven Ausgleichsposten nicht gebildet hat, ist eine Bilanzberichtigung (durch erfolgsneutrale Einbuchung des passiven Ausgleichspostens zu Beginn des ersten noch änderbaren Jahres) möglich. Der BFH hat einen berichtigungsfähigen Fehler bejaht. Die Aufgabe des subjektiven Fehlerbegriffs durch den Großen Senat des BFH (Beschluss vom 31.1.2013, GrS 1/10, BStBl II 2013, 317) bestätige, dass es nicht darauf ankomme, ob die Klägerin ihre Bilanz damals für richtig gehalten habe.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 1.7.2020 – XI R 10/18