Die handelsrechtliche Bewertung gilt im Grundsatz auch für die Steuerbilanz, jedoch nur soweit, wie das Steuerrecht keine selbstständigen Bewertungsvorschriften enthält, die zu einer niedrigeren Bewertung führen. In Bezug auf die Bewertung von Rückstellungen finden sich in § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG gesonderte Regelungen.
In Bezug auf eine Rückstellung aufgrund einer gegen den Bilanzierenden angestrengten Klage können sich daher – abhängig vom Einzelfall – insbesondere folgende Unterschiede zwischen dem handelsbilanziellen Wertansatz und dem steuerlichen Wert ergeben:
- Bei Rückstellungen von mehr als 1 Jahr Restlaufzeit ist sowohl in der Handelsbilanz als auch im Zuge der Ermittlung des steuerlichen Werts nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchstabe e) EStG eine Abzinsung vornehmen. Allerdings ist zur Bestimmung des steuerlichen Werts abweichend vom Handelsrecht ein Zinssatz von 5,5 % (über alle Restlaufzeiten) anzuwenden.
- Bei Ermittlung des steuerlichen Werts der Rückstellung sind nur die Kosten für die laufende Instanz zu berücksichtigen, nicht aber die Kosten für die nächst höhere Instanz.
Bei der Ermittlung des steuerlichen Werts der Rückstellung nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG sind nur die Preis- und Kostenverhältnisse am Bilanzstichtag zu berücksichtigen. Wie oben dargestellt, ist in der Regel zu erwarten, dass bei Rückstellungen für eine angestrengte Klage wesentliche Komponenten keiner Kosten- oder Preissteigerung unterliegen. So dass der handelsrechtliche Verpflichtungsbetrag auch dem steuerlich zu Grunde zu legenden Verpflichtungsbetrag entspricht.
Der nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ermittelte steuerliche Wert einer Rückstellung kommt dann zum Tragen, wenn dieser den handelsrechtlichen Wert unterschreitet. D.h. nach der Ermittlung des steuerlichen Werts einer Rückstellung nach den Regeln des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG ist dieser Wert mit dem handelsbilanziellen Wertansatz zu vergleichen. Der niedrigere der beiden Werte ist in der Steuerbilanz anzusetzen.
Sofern die Höchstgrenze im Einzelfall nicht greift, kann es aufgrund der oben genannten Aspekte zu Abweichungen zwischen dem Wertansatz in der Handels- und Steuerbilanz kommen. Dies führt ggf. zum Ausweis latenter Steuern in der Handelsbilanz.
Kontierungs-Praxis-Fazit
- Wird gegen einen bilanzierenden Kaufmann ein Anspruch gerichtlich geltend gemacht, muss dieser ggf. eine Verbindlichkeitsrückstellung in seiner Bilanz bilden.
- Der Kaufmann muss insbesondere die Ansatzkriterien "Bestehen einer Verpflichtung" und "Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme" beurteilen:
Bei am Bilanzstichtag bereits anhängigen Prozessen muss der Bilanzierende grundsätzlich von einer Verpflichtung ausgehen. Außer,
- wenn die Klage offensichtlich unzulässig, willkürlich oder nur zum Schein angestrengt wurde (vgl. BFH, Urteil v. 27.11.1997, IV R 95/96).
- wenn gewichtige objektive Umstände gegen ein Unterliegen sprechen.
- wenn eine Rechtsschutzversicherung die zu erwartenden Aufwände abdeckt (vgl. Schubert, in: Beck'scher Bilanzkommentar, § 249 HGB, 12. Aufl., Rz. 100 (Prozesskosten))
Bei am Bilanzstichtag in Aussicht stehenden Prozessen müssen gewichtige objektive Umstände für die Inanspruchnahme sprechen.