Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe
Leitsatz
Eine konkrete Abbruchverpflichtung liegt nicht vor, wenn die zuständige Behörde eine Ordnungsverfügung lediglich androht. Die Bildung einer Verbindlichkeitsrückstellung ist damit nicht zulässig.
Sachverhalt
Bereits im Jahr 1993 hatte das zuständige Gewerbeaufsichtsamt wegen Luftverunreinigungen und Lärmbelästigungen Bedenken gegen den weiteren Betrieb der Klin. geäußert. Es wurde eine Ordnungsverfügung angedroht, falls bis Februar 1994 nicht bestimmte Umbaumaßnahmen erfolgt wären. Bei Besprechungen wurde die Behörde u. a. informiert, dass eine Betriebsverlagerung beabsichtigt sei. Wegen des geplanten Abrisses der Betriebsgebäude wurde zum 31.12.1993 eine Rückstellung für Abbruchverpflichtung gebildet. Nachdem der Genehmigungsantrag für ein neues Werk zurückgezogen wurde, kam die Behörde 1995 auf die Sache zurück und teilte mit, dass eine Anordnung zur Altanlagensanierung in Erwägung gezogen würde. Dabei interpretierte sie die Besprechungen mit der Klin. als Vereinbarung, dass "spätestens 6 Monate nach Inbetriebnahme des neuen Werkes" die bisherige Produktion stillzulegen sei und die Anlagen demontiert würden. Das FA löste die Rückstellung im Rahmen einer Bp für das Jahr 1999 erfolgswirksam auf.
Entscheidung
Nach Ansicht des FG lag keine Abbruchverpflichtung vor, zumindest musste die Klin. im Jahr 1999 nicht ernstlich damit rechnen, aus einer solchen in Anspruch genommen zu werden. Bei ungewissen öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen ist erforderlich, dass die Verpflichtung z.B. durch eine Verfügung der zuständigen Behörde oder durch eine Verpflichtung aus einem Gesetz hinreichend konkretisiert ist. Mit den behördlichen Schreiben aus 1993 bzw. 1995 waren keine Auflagen verbindlich festgelegt worden. Auch das Bundesimmissionsschutzgesetz sieht keine derartige konkrete Verpflichtung vor, da eine Verletzung dieser Regelungen nicht unmittelbar zum Erlöschen der Betriebsgenehmigung führt.
Selbst wenn die im Schreiben der Behörde vom März 1995 zitierte "Vereinbarung" zur Inbetriebnahme eines neuen Werkes und zur Stilllegung der Produktion als verbindliche öffentlich-rechtliche Vereinbarung angesehen würde, fehlt es an einer ausreichenden Konkretisierung dieser Verpflichtung. Zwar ist die Verpflichtung zum Tätigwerden innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht mehr unabdingbare Voraussetzung für eine Konkretisierung einer öffentlich-rechtlichen Verpflichtung. Sie ist jedoch Indiz dafür, ob mit einer Inanspruchnahme ernstlich gerechnet werden muss. Im Streitfall fehlt eine zeitliche Konkretisierung der Stilllegungsverpflichtung, da diese von der zeitlich unbefristeten Inbetriebnahme eines neuen Werkes abhängig sein soll.
Hinweis
Das FG Münster sah im Urteilsfall die nur mündlich geäußerte Absichtserklärung über den Abriss nicht als Verpflichtung an, so dass eine Rückstellung nicht Betracht kam. Anders war der Windkraftanlagen-Fall entschieden worden (FG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 13.1.2005, 6 K 1075/01, EFG 2005 S. 616), in dem die Baugenehmigung eine, wenn auch zeitlich nicht konkretisierte Verpflichtung enthielt. Die Frage, ob die Entscheidung des FG Münsters vor dem BFH angesichts der neueren Rechtsprechung zu öffentlich rechtlichen Verpflichtungen (z.B. BFH, Urteil v. 19.11.2003, I R 77/01) bestand haben würde, stellt sich nicht, da das Urteil Rechtskraft erlangt hat.
Link zur Entscheidung
FG Münster, Urteil vom 16.11.2006, 8 K 4694/04 G,F