Leitsatz

Eine behördliche Anweisung, nach der Altanlagen einen festgelegten Emissionswert ab einem bestimmten Zeitpunkt einhalten sollen (hier: Nr. 5.4.1.2.1 TA Luft 2002), kann in der Regel nicht dahin verstanden werden, dass die Verpflichtung zur Wahrung des Grenzwerts i.S.d. Rechtsprechung zu Verbindlichkeitsrückstellungen rechtlich bereits vor Ablauf dieses Zeitpunkts entsteht (Anschluss an BFH, Urteil vom 13.12.2007, IV R 85/05, BStBl II 2008, 516; Abweichung vom Senatsurteil vom 27.6.2001, I R 45/97, BFH/NV 2008, 1029, BFH/PR 2008, 333, BStBl II 2003, 121).

 

Normenkette

§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, Nr. 5.4.1.2.1 TA Luft 2002

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine AG, produziert Holzplatten und unterhielt hierzu eine Feuerungsanlage, die mit Holzresten und mit Heizöl betrieben werden konnte.

Mit Verfügung vom 1.7.2005 ordnete die zuständige Umweltbehörde gem. § 17 Abs. 1 BImSchG an, dass beim Betrieb der Feuerungsanlage mit Holzwerkstoffen die nach der TA Luft 2002 zu beachtende Emissionsbegrenzung für den Abgasparameter staubförmige Emissionen (20 mg/cbm) "spätestens ab dem 1.10.2010 einzuhalten (ist)". Nach der Begründung des Bescheids wurde mit der Sanierungsfrist berücksichtigt, dass "nach Nr. 5.4.1.2.1 (Altanlagen) der TA Luft 2002 die festgelegten Anforderungen spätestens acht Jahre nach Inkrafttreten der Verwaltungsvorschrift" (vgl. dazu Nr. 8 TA Luft 2002: 1.10.2002) "eingehalten werden sollen"; damit werde "sowohl bei der Festsetzung von Emissionswerten wie auch bei der zur Umsetzung gewährte(n) Frist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ... gewahrt".

Für den Einbau der hiernach erforderlichen Rauchgasreinigungsanlage bildete die Klägerin unter Berücksichtigung des Abzinsungsgebots gem. § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG entsprechenden Rückstellungen.

Das FA erkannte die Rückstellungen nicht an. Die dagegen erhobene Klage war erfolgreich (FG Münster, Urteil vom 14.12.2011, 10 K 1471/09 K,G, EFG 2012, 944). Das FG konnte seine Entscheidung dabei "guten Glaubens" auf das BFH-Urteil vom 27.6.2001, I R 45/97 (BFH/NV 2008, 1029, BFH/PR 2008, 333, BStBl II 2003, 121) gründen.

 

Entscheidung

Der BFH wich jedoch von diesem seinem Urteil ab, was in der Konsequenz das Unterliegen der Klägerin zur Folge hatte: Die Nachrüstungspflicht der Anlage auf Basis der TA Luft 2002 sei an den jeweiligen Bilanzstichtagen weder rechtlich entstanden noch im jeweils abgelaufenen Wirtschaftsjahr wirtschaftlich verursacht. Ihre Rückstellung scheide deswegen aus.

 

Hinweis

Es handelt sich um ein Urteil zum steuerbilanziellen Ausweis von Rückstellungen für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen auf technische Nachrüstung von Altanlagen nach der sog. TA Luft. Es bezeugt die eine oder andere Position zu mancher Kontroverse über den "richtigen" Bilanzausweis.

1. In seinem Urteil vom 27.6.2001, I R 45/97 (BStBl II 2003, 121) hatte der I. Senat des BFH über die Frage zu entscheiden, ob und unter welchen Umständen, vor allem zu welchem Zeitpunkt künftiger Aufwand bilanziell rückzustellen ist, der infolge öffentlich-rechtlicher Bestimmungen über die Einhaltung bestimmter Emissionswerte gefordert wird. Konkret ging es um technische Anpassungs- und Nachrüstungsverpflichtungen nach der sog. TA Luft 1986.

Der I. Senat des BFH hatte dazu entschieden:

  • Die Bildung einer Rückstellung für eine aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen begründete Verpflichtung setzt voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist. Das bedeutet, die Verpflichtung muss auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzielen. Diese Voraussetzungen werden im Regelfall bei Erlass einer behördlichen Verfügung oder bei Abschluss einer entsprechenden verwaltungsrechtlichen Vereinbarung vorliegen.
  • Die Bildung einer Rückstellung für eine sich aus öffentlichem Recht ergebenden Verpflichtung ist u.a. nur zulässig, wenn an ihre Verletzung Sanktionen geknüpft sind, sodass sich der Steuerpflichtige der Erfüllung der Verpflichtung im Ergebnis nicht entziehen kann.
  • Eine behördlich angeordnete Verpflichtung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Betriebsanlage so umzurüsten, dass bestimmte zahlenmäßig vorgegebene Emissionswerte eingehalten werden (sog. Anpassungsverpflichtung), stellt zwar eine Befristung i.S. v. § 36 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG dar. Sie bedeutet indessen keine begrenzte Genehmigung zum Betrieb der genehmigungspflichtigen Anlage mit der Folge, dass die Verpflichtung zur Anpassung erst in dem in der Anordnung festgelegten Zeitpunkt entstünde. Vielmehr bestimmt der in der Verfügung vorgegebene Termin lediglich den bilanzsteuerlich nicht entscheidenden Zeitpunkt der Fälligkeit der Verpflichtung.

Nach diesen Maßgaben genügt dem BFH die Anpassungsverpflichtung, wie sie sich unmittelbar aus der TA Luft 1986 ergab. Bereits diese ließ die Verpflichtung entstehen und gereichte, um eine Rückstellung zu rechtfertigen.

2. Von diesen Vorgaben besagter "Fälligkeitsthese"rückt der I. Senat des BFH nunmehr – für eine vergleichbare Anpassungsverpflichtung nac...

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