Leitsatz
1. Ein Unternehmen, das Bauabfälle aufkauft und zwecks Weiterveräußerung aufbereitet, kann im Hinblick auf die aus dem AbfG 1986 und dem BImSchG folgende Entsorgungsverpflichtung eine Rückstellung für die nach dem jeweiligen Bilanzstichtag anfallenden Aufbereitungskosten bilden, wenn nach Sachlage überwiegend wahrscheinlich ist, dass es aus dieser öffentlich-rechtlichen Verpflichtung in Anspruch genommen wird (Anschluss an BFH-Urteil vom 25.3.2004, IV R 35/02, BFH-PR 2004, 381).
2. Zur Bemessung der Höhe dieser Rückstellung.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG, § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB
Sachverhalt
Der Kläger unterhielt ein Recyclingunternehmen. Er nahm gegen Entgelt Abfälle (insbesondere Bauschutt, Rohschlacke, Abbruchholz und Baustellenmischabfälle) an, die er nach den einschlägigen öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des AbfG 1986 und des BImSchG zu entsorgen hatte. Einen Teil der Abfälle lagerte er nach entsprechender Aufbereitung an den vorgesehenen Stellen ab, den übrigen Teil verkaufte er.
In seinem Jahresabschluss des Streitjahrs 1995 bildete er für die bereits angenommenen, aber noch nicht aufbereiteten und entsorgten Abfälle Rückstellungen. Das FA erkannte diese unter Hinweis darauf nicht an, dass es sich um nicht rückstellungsfähige "Aufwandsrückstellungen" gehandelt habe.
Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt (EFG 2003, 1527). Die Revision des FA hatte insoweit Erfolg, als der BFH die FG-Entscheidung aufhob und die Sache an das FG zurückverwies.
Entscheidung
Der Kläger sei dem Grund nach berechtigt (und verpflichtet) gewesen, für die ihm gem. dem AbfG 1986 und dem BImSchG obliegenden Entsorgungsverpflichtungen Rückstellungen zu bilden. Ob und wie der Kläger die übernommenen Abfälle entsorgte, habe nicht in seinem Belieben gestanden. Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AbfG 1986 habe er die sanktionsbewehrte Pflicht gehabt, Nachweisbücher über Art, Menge und Entsorgung der Abfälle zu führen und der zuständigen Behörde vorzulegen, deren Überwachung er nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AbfG 1986 unterlegen habe.
Rückstellbar sei allerdings nur ein Teil der auf den Kläger im Folgejahr zukommenden Recyclingkosten gewesen.
Dieser Teil bemesse sich nach den Kosten, die der Kläger bei einer Entsorgung der Abfälle durch Ablagerung habe aufwenden müssen, weil er aus dieser Art der Entsorgung keine weiteren Einnahmen mehr erzielt habe. Für den übrigen Teil der Kosten könne eine Rückstellung nicht gebildet werden, weil dieser den der Verwertung durch Verkauf dienenden Abfällen zuzuordnen sei.
Hinweis
1. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten können gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB auch für öffentlich-rechtliche Verpflichtungen gebildet werden, vorausgesetzt, die entsprechende Verpflichtung ist hinreichend konkretisiert. Letzteres setzt voraus, dass der Unternehmer (Steuerpflichtige) zu einem bestimmten Handeln innerhalb eines hinlänglich konkretisierten Zeitraums verpflichtet ist. Dies trifft zweifelsohne zu, wenn dem Unternehmer ein entsprechendes, auf die Erfüllung seiner öffentlich-rechtlichen Verpflichtung gerichtetes Tätigwerden bereits durch einen Verwaltungsakt der zuständigen Behörde auferlegt wurde.
Darüber hinaus kann eine hinreichend konkretisierte öffentlich-rechtliche Verpflichtung aber auch schon vor Erlass eines ihre Erfüllung anordnenden behördlichen Gebots bestehen, nämlich dann, wenn eine Rechtsnorm eine konkrete und sanktionsbewehrte Handlungspflicht des Unternehmers statuiert und der Unternehmer hinsichtlich der Erfüllung seiner Verpflichtung der behördlichen Überwachung und Kontrolle unterliegt mit der Folge, dass er sich der Erfüllung der Pflicht nach der gegebenen Sachlage de facto nicht entziehen kann (ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. im Leitsatz zitiertes Urteil). Letzteres traf im Streitfall hinsichtlich der den Kläger treffenden Entsorgungsverpflichtung zu.
2. In Bezug auf die Höhe der vom Kläger gebildeten Rückstellungen war allerdings dem vom FG nicht beachteten Umstand Rechnung zu tragen, dass der Kläger hinsichtlich eines Teils der von ihm aufzubereitenden Abfälle durch deren Wiederverkauf Einnahmen erzielen wollte. Während die durch die Annahme der Abfälle erzielten Erlöse bereits im Streitjahr (1995) erfasst wurden, fielen die Erlöse aus den im Folgejahr durchgeführten Verkäufen erst in diesem Jahr an, so dass kein Grund bestand, für die damit verbundenen Aufwendungen im Jahr zuvor eine Rückstellung zu bilden.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.9.2005, X R 29/03