Fragen
A.1 Nach HGB werden die Schulden auf der Passivseite der Bilanz primär danach unterschieden, ob sie ungewiss sind (Rückstellungen) oder gewiss (Verbindlichkeiten). Wie unterscheiden sich die IFRS hiervon?
A.2 Nach HGB sind Rückstellungen auch für Gewährleistungen ohne rechtliche Verpflichtung (Kulanz) und für unterlassene Instandhaltungen zu bilden. Wie werden diese Fälle nach IAS 37 behandelt (Begründung)?
B.1 Die E AG produziert und verkauft seit 01 Haushaltsgeräte. Für Alt-Geräte besteht eine Rücknahmeverpflichtung nach einer Elektroschrottverordnung. Danach wird die Rücknahme kollektiv abgewickelt, wobei jeder Produzent sich nach Maßgabe seines Marktanteils im Rücknahmejahr an den Rücknahmekosten beteiligen muss. Für Rücknahmen, die im Jahr 06 erfolgen, ist z. B. der Marktanteil des Jahres 06 maßgeblich. Kann U für die in 01 bis 05 in Verkehr gebrachten Geräte, die überwiegend in 06 bis 10 zur Rücknahme gelangen werden, per 31.12.05 eine Rückstellung bilden (Begründung)?
B.2 IAS 37 verlangt für die Bewertung von Rückstellungen eine beste Schätzung (management’s best estimate). Wie sieht diese Schätzung bei
- einer Vielzahl gleichartiger Risiken (z. B. Gewährleistungsrisiko),
- bei einem Einzelrisiko (z. B. aus einer Klage) aus?
C.1 Die Pensionsrückstellung per 31.12.05 beträgt 100 Mio. EUR. Grundlage der Bewertung sind u. a. die Zinsverhältnisse per 31.12.05 sowie die letzt verfügbare (aus 01 stammende) Sterbetafel. Auf Basis dieser und weiterer Bewertungsparameter geht das Unternehmen davon aus, dass die Pensionsrückstellung sich bis zum 31.12.06 auf 112 Mio. EUR erhöhen wird. Das Unternehmen bucht demzufolge in den Monatsabschlüssen Januar bis Dezember 06 jeweils "per Aufwand 1 Mio. an Pensionsrückstellungen 1 Mio.". Zum Jahreswechsel 06/07 erscheint jedoch eine aktualisierte Version der Sterbetafel mit längerer Lebenserwartung als nach der alten. Außerdem ist das Zinsniveau per 31.12.06 niedriger als im Vorjahr. Unter Berücksichtigung beider Effekte beträgt die Pensionsverpflichtung per 31.12.06 nicht 112 Mio. EUR (wie geplant bzw. erwartet), sondern 118 Mio. EUR. Mit welchem Wert ist die Pensionsverpflichtung in der Bilanz und GuV 06 zu berücksichtigen?
C.2 Noch vor dem Bilanzstichtag 31.12.01 beschließt der Vorstand der U AG mit Zustimmung des Aufsichtsrats, die Stilllegung eines unrentablen Standorts. Im Beschluss sind Details wie die Zahl der betroffenen Arbeitnehmer, die voraussichtlichen Sozialplankosten usw. enthalten. Anfang Januar 02 wird die geplante Stilllegung auch dem Betriebsrat bekannt gegeben. Im Februar 02 wird mit der Umsetzung des Plans begonnen. Welche Konsequenzen hat die geplante Restrukturierung für den Jahresabschluss 01?
Antworten
A.1 Nach IFRS werden die Schulden primär nach ihrer Fristigkeit unterschieden (langfristige vs. kurzfristige Schulden). Rückstellungen sind daher nicht in einer Summe auszuweisen, sondern langfristige Rückstellungen als Unterposition der langfristigen Schulden und kurzfristige Rückstellungen entsprechend bei den kurzfristigen Schulden.
A.2 Nach IAS 37 sind nur Außenverpflichtungen rückstellungsfähig. Eine Rückstellung für unterlassene Instandhaltung scheidet daher aus. Eine Kulanzrückstellung ist hingegen zulässig, da als Außenverpflichtungen nicht nur rechtliche, sondern auch faktische gelten.
B.1 Die E AG kann per 31.12.05 keine Rückstellung für die erwarteten Rücknahmen 06 ff. bilden. Grund dafür ist die Entziehbarkeit: wenn die E AG in 06 ff. keine Umsätze mit Elektrogeräten mehr machen würde, wäre ihr Marktanteil 0 % und damit ihre Belastung aus dem Rücknahmesystem 0. Zwar ist diese Entziehbarkeit nur theoretisch gegeben, solange die E AG ihr Geschäftsmodell beibehält und gar keine Absicht hat, sich aus dem Markt zu verabschieden. Die theoretische Entziehbarkeit reicht jedoch nach IAS 37/IFRIC 6 aus, um eine Passivierung auszuschließen.
B.2 Beste Schätzung bedeutet bei einer Vielzahl gleichartiger Risiken eine an statistischen Erfahrungen orientierte Bewertung. Anzusetzen ist der wahrscheinlichkeitsgewichtete Wert (Erwartungswert). Bei Einzelrisiken versagt die Statistik. Hier ist in eher qualitativer als quantitativer Argumentation herauszufinden, welcher Wert am wahrscheinlichsten ist (sog. subjektive Wahrscheinlichkeit). Dieser Wert ist in der Regel anzusetzen.
C.1 Die bilanzielle Bewertung der Pensionsverpflichtung erfolgt nach den Stichtagsverhältnissen, d. h. mit den am Stichtag geltenden versicherungsmathematischen Bewertungsparametern. Die Pensionsrückstellung ist demzufolge in der Bilanz 31.12.06 mit 118 Mio. EUR auszuweisen.
In der GuV für 06 ist jedoch nur die planmäßige Entwicklung zu berücksichtigen, d. h. nur ein Aufwand von 12 Mio. EUR. Die Erhöhung der Rückstellung um weitere 6 Mio. EUR in Folge der geänderten versicherungsmathematischen Parameter ist außerhalb der GuV im sonstigen Ergebnis (other comprehensive income) darzustellen.
C.2 Eine Rückstellung für Restrukturierung darf per 31.12.01 noch nicht angesetzt werden, da zum Bilanzstic...