Ewald Dötsch, Prof. Dr. Franz Dötsch
Leitsatz
1. Bürgschaften, die die Gesellschafter der Besitzpersonengesellschaft für Verbindlichkeiten der Betriebskapitalgesellschaft übernehmen, können durch den Betrieb der Besitzpersonengesellschaft veranlasst sein und damit zum negativen Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter-Bürgen bei der Besitzpersonengesellschaft gehören, wenn die Übernahme der Bürgschaften zu nicht marktüblichen (fremdüblichen) Bedingungen erfolgt.
2. Die Inanspruchnahme der Gesellschafter aus solchen Bürgschaften führt nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten für die zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Besitzpersonengesellschaft gehörenden Anteile an der Betriebskapitalgesellschaft. Der Umstand, dass Verbindlichkeitsrückstellungen nur für solche künftigen Aufwendungen gebildet werden dürfen, die zu sofort abziehbaren Betriebsausgaben führen und nicht als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren sind, steht deshalb einer Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme aus solchen Bürgschaften nicht entgegen.
Normenkette
§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG , § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG
Sachverhalt
An der Klägerin, einer GbR und Besitzgesellschaft, waren A, B und C zu je 1€3 beteiligt. Die Klägerin verpachtete ihr Unternehmen ab 1.1. des Streitjahrs 1995 an die ABC-GmbH (Betriebsgesellschaft), an der ebenfalls A, B und C mit je 1€3 beteiligt waren. Die GmbH-Anteile wurden in der Bilanz der Klägerin als Betriebsvermögen ausgewiesen.
Im Oktober 1995 übernahmen A, B und C für Bankschulden der Betriebs-GmbH unentgeltlich die selbstschuldnerische Bürgschaft. Im Hinblick auf die angespannte wirtschaftliche Lage der GmbH (erhebliche buchmäßige Überschuldung) bildete die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31.12.1995 eine Rückstellung wegen drohender Inanspruchnahme aus den Bürgschaften ihrer Gesellschafter.
Das FA erkannte die Rückstellung nicht an. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab (vgl. EFG 1999, 1214). Auf die Revision der Klägerin hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.
Entscheidung
Zu Recht habe das FG angenommen, dass die streitigen Bürgschaftsverpflichtungen und die ihnen korrespondierenden Befreiungs- bzw. Ersatzansprüche zum Sonderbetriebsvermögen II der Gesellschafter bei der Klägerin gehört hätten (wird näher begründet). Zu Unrecht sei das FG jedoch davon ausgegangen, die Bildung der Rückstellungen in den Sonderbilanzen der Gesellschafter bei der Klägerin scheitere daran, dass eine etwaige künftige Inanspruchnahme der Gesellschafter aus den Bürgschaften nicht zu sofort abziehbarem Aufwand, sondern zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Anteile an der Betriebs-GmbH führe.
Anders als im Rahmen des § 17 EStG, in dessen Geltungsbereich eigenkapitalersetzende Bürgschaften zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die (wesentliche) Beteiligung an der Kapitalgesellschaft führen könnten, sei im hier zu beurteilenden betrieblichen Bereich (§ 15 EStG) der allgemeine Anschaffungskostenbegriff des § 255 Abs. 1 HGB maßgebend. Danach seien als nachträgliche Anschaffungskosten nur die Nachschüsse sowie alle sonstigen Kapitalzuführungen durch die Gesellschafter anzusehen, die auf der Ebene der Kapitalgesellschaft zu offenen oder verdeckten Einlagen führten.
Als nachträgliche Anschaffungskosten seien hingegen gerade nicht Zuführungen von Fremdkapital zu qualifizieren, mögen diese Finanzierungsmaßnahmen auch eigenkapitalersetzenden Charakter haben und mithin nach Eintritt der Krise bei der Gesellschaft zivilrechtlichen Sonderregeln unterworfen sein, die diese Finanzierungsmaßnahmen bei wirtschaftlicher Betrachtung in mancher Hinsicht dem (formellen) Eigenkapital annähern.
Hinweis
1. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen Darlehen der Besitz- und Betriebsgesellschafter an die Betriebs-GmbH zum Sonderbetriebsvermögen der Gesellschafter bei der Besitz(personen)gesellschaft gehören, hat den BFH schon mehrfach beschäftigt. Hierbei hat der BFH ein gewichtiges Indiz für die Zugehörigkeit der betreffenden Darlehensansprüche zum Sonderbetriebsvermögen II darin gesehen, dass die Darlehen der Betriebs(kapital)gesellschaft zu nicht markt- bzw. fremdüblichen Bedingungen gewährt wurden (vgl. zuletzt BFH, Urteil vom 19.10.2000, IV R 73/99, BFH-PR 2001, 125). Entsprechendes muss für den hier zu beurteilenden – wirtschaftlich vergleichbaren – Fall gelten, dass die Gesellschafter der Besitzpersonengesellschaft der Betriebs-GmbH, statt Letzterer eigene Kredite zu gewähren, durch die Übernahme entsprechender Bürgschaften die Aufnahme von Krediten bei Fremdgläubigern ermöglichen.
Nach diesen Grundsätzen sprach im Streitfall entscheidend für die Eigenschaft der Gesellschafterbürgschaften als Sonderbetriebsvermögen II der Umstand, dass die Bürgschaften unentgeltlich gewährt wurden. Ein fremder Dritter (Nichtgesellschafter) hätte im Hinblick auf die Überschuldung der Betriebs-GmbH solche Bürgschaften – wenn überhaupt – allenfalls gegen die Gewährung einer angemessenen (erhöhten) Risikoprämie übernommen.
2. Nach der ge...