Leitsatz
1. Einem qualifizierten Anteilstausch i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 UmwStG 2006 i.d.F. des JStG 2009 steht weder entgegen, dass die übernehmende Gesellschaft vor der Einbringung keine Anteile an der erworbenen Gesellschaft inne hatte, noch, dass jeweils hälftige Beteiligungen – nicht aber eine einheitliche Mehrheitsbeteiligung – eingebracht wurden. Erforderlich ist insoweit lediglich, dass die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung – und damit unter Berücksichtigung sämtlicher eingebrachter Anteile – insgesamt die Stimmrechtsmehrheit hat.
2. In der Verschmelzung der Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft ("Verschmelzung zur Aufnahme", Aufwärtsverschmelzung) liegt eine Veräußerung i.S. des § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 i.d.F. des JStG 2009.
Normenkette
§ 22 Abs. 2 Satz 1, § 21 Abs. 1 UmwStG 2006 i.d.F. des JStG 2009
Sachverhalt
Der Kläger und A waren mit Anteilen von jeweils 50 % an einer GmbH (A GmbH), deren Stammkapital 25.000 EUR betrug, beteiligt (Anteilserwerb je zum Buchwert von 27.500 EUR). In 2011 wurde das Stammkapital der T GmbH (beteiligt: der Kläger und A je zu 50 %) von 25.600 EUR auf 27.600 EUR erhöht. Die zwei neu gebildeten Gesellschaftsanteile (je 1.000 EUR) übernahmen der Kläger und A unter Einbringung ihrer Anteile an der A GmbH (Ansatz der Buchwerte; gemeiner Wert: 30.121 EUR). Mit Wirkung zum 31.12.2011 wurde die A GmbH zu Buchwerten auf die T GmbH verschmolzen ("Verschmelzung zur Aufnahme", Aufwärtsverschmelzung).
Das FA setzte für das Streitjahr (2011) einen Veräußerungsgewinn aus diesem Vorgang i.H.v. 1.310 EUR an (Ansatz nach dem Teileinkünfteverfahren mit 787 EUR). Die Klage, mit der geltend gemacht wurde, dass die Verschmelzung nicht zu einem Einbringungsgewinn geführt habe, hatte Erfolg (FG Hamburg, Urteil vom 21.5.2015, 2 K 12/13, Haufe-Index 8301004, EFG 2015, 1876).
Entscheidung
Der BFH hat auf die Revision des FA das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Hinweis
1. Es geht um die Besteuerung des Anteilseigners ("Einbringungsgewinn II", § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006/2009) mit Blick auf die spätere Umstrukturierung innerhalb der 7-Jahres-Frist nach der Einbringung seiner Kapitalgesellschaftsanteile (mit Buchwertansatz bei der aufnehmenden Gesellschaft).
Eine Steuerpflicht hatte im Streitfall zwei Voraussetzungen: Die Einbringung der Anteile an der A GmbH in die T GmbH (aufnehmende Gesellschaft) durch den Kläger gegen Gewährung neuer Anteile an den Kläger musste als qualifizierter Anteilstausch i.S.d. § 21 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 UmwStG 2006 anzusehen sein (s. hierzu 2.), und die eingebrachten Anteile an der A GmbH mussten im Zuge der Aufwärtsverschmelzung i.S.d. § 22 Abs. 2 Satz 1 UmwStG 2006 (als Weiterübertragung durch die aufnehmende Gesellschaft) veräußert worden sein (s. hierzu 3.). Beide Voraussetzungen wurden vom BFH (abweichend vom FG) als erfüllt angesehen.
Streiterheblich ist § 22 Abs. 2 Satz 6 UmwStG 2006: Sätze 1 bis 5 der Regelung gelten entsprechend, wenn die übernehmende Gesellschaft die eingebrachten Anteile ihrerseits durch einen Vorgang nach § 22 Abs. 1 Satz 6 Nrn. 1 bis 5 UmwStG 2006weiter überträgt.
2. "Qualifizierter Anteilstausch": Ein Buchwertansatz setzt voraus, dass die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der eingebrachten Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG 2006). Dabei ist nicht erforderlich, dass die übernehmende Gesellschaft vor der Einbringung bereits Anteile an der erworbenen Gesellschaft inne hatte. Ebenso kommt es (hier: Situation des einheitlichen Übertragungsvorgangs) nicht darauf an, dass jeweils hälftige Beteiligungen (nicht aber eine einheitliche Mehrheitsbeteiligung) eingebracht wurden. Erforderlich ist insoweit lediglich, dass die übernehmende Gesellschaft "nach der Einbringung" – und damit unter Berücksichtigung sämtlicher eingebrachter Anteile – insgesamt die Stimmrechtsmehrheit hat.
3. "Veräußerung bei Aufwärtsverschmelzung": Veräußerung i.S.d. § 22 Abs. 2 UmwStG 2006 ist (jedenfalls soweit unmittelbare Veräußerungen betroffen sind) grundsätzlich die Übertragung von Gesellschaftsanteilen auf einen anderen Rechtsträger, wobei es sich um einen entgeltlichen Vorgang ("gegen eine Gegenleistung") handeln muss.
Erhält ein Anteilseigner im Zuge einer Verschmelzung der Körperschaft, an der er beteiligt ist, auf eine andere Körperschaft Anteile dieser (anderen) Körperschaft, ist dies (obwohl die Anteile an dem übertragenden Rechtsträger untergehen und es insoweit zu keinem Rechtsträgerwechsel kommt) aus der Sicht dieses Anteilseigners einem Tausch der Anteile an der übertragenden Körperschaft gegen die Anteile an der übernehmenden Körperschaft gleichzustellen. Dies ist in Bezug auf die Anteile am übernehmenden Rechtsträger als entgeltlicher Erwerb sowie (soweit die Anteile an dem übertragenden Rechtsträger betroffen sind) als entgeltliche Veräußerung zu beurteilen.