Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der neuen Angelegenheit i.S. von § 15 RVG. Erstattungsfähigkeit von Gebühren und Auslagen für den Zeitraum nach Unterbrechung des Rechtsstreits durch Insolvenzeröffnung
Leitsatz (amtlich)
Gebühren und Auslagen für den Zeitraum nach Unterbrechung des Rechtsstreits durch Insolvenzeröffnung sind nicht erstattungsfähig, da die Fortsetzung des Rechtsstreits zum gleichen Rechtszug wie das bisherige Verfahren gehört.
Normenkette
ZPO § 240; RVG § 15
Verfahrensgang
LG Saarbrücken (Beschluss vom 26.09.2011; Aktenzeichen 1 O 121/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Streithelfers zu 2. gegen Beschluss des Landgerichts Saarbrücken vom 26. September 2011 – 1 O 121/10 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: bis 3.000 EUR.
Gründe
Die zulässige (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567, 569 ZPO) sofortige Beschwerde des Streithelfers zu 2. ist unbegründet. Die Rechtspflegerin hat zu Recht die mit Kostenfestsetzungsantrag vom 4. Juli 2011 angemeldete Verfahrens- und Terminsgebühr nebst Auslagenpauschale für das Verfahren nach der Unterbrechung des Rechtsstreits durch die Insolvenzeröffnung über das Vermögen der Beklagten gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss I vom 26. September 2011 nicht angesetzt.
Entgegen der Auffassung des Streithelfers zu 2. sind die von ihm geltend gemachten Gebühren und Auslagen für den Zeitraum nach der Unterbrechung des Rechtsstreits durch Insolvenzeröffnung nicht erstattungsfähig. Die Fortsetzung des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter ab Mai 2010 gehört nämlich zum gleichen Rechtszug wie das bisherige Verfahren und stellt damit keine neue Angelegenheit i.S.v. § 15 RVG dar. Insoweit gilt – wie bereits nach dem insoweit unverändert übernommenen § 13 Abs. 5 Satz 1 BRAGO – für die Gebühren der Prozessbevollmächtigten des Streithelfers zu 2., dass der Rechtsanwalt, der, nachdem er in einer Angelegenheit tätig geworden ist, beauftragt wird, in derselben Angelegenheit weiter tätig zu werden, nicht mehr an Gebühren erhält, als er erhalten würde, wenn er von vornherein hiermit beauftragt worden wäre (§ 15 Abs. 5 S. 1 RVG). Die Fortsetzung des Rechtsstreits nach einer Unterbrechung gehört zum gleichen Rechtszug, weil mit der Unterbrechung die Angelegenheit nicht beendigt ist. Nach § 249 ZPO haben Unterbrechung und Aussetzung des Verfahrens die Wirkung, dass der Lauf einer jeden Frist aufhört und nach Beendigung der Unterbrechung oder Aussetzung die Fristen von Neuem zu laufen beginnen; während der Unterbrechung oder Aussetzung in Ansehung der Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen sind ohne rechtliche Wirkung. Das Verfahren ist aber nicht beendet, weil es aufgenommen und fortgesetzt werden kann. Auch die Prozessvollmacht des Anwalts und das Mandatsverhältnis bleiben vom Eintritt einer Unterbrechung des Verfahrens unberührt (§ 86 ZPO). Der Rechtszug – und damit die gebührenrechtliche Angelegenheit des in der Instanz tätigen Rechtsanwalts – ist vielmehr erst nach dem Erlass der die Instanz abschließenden Entscheidung beendet (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, RVG, 19. Aufl., § 15, Rz. 34; zum alten Recht: OLG Nürnberg, OLGR Nürnberg 2006, 911; OLG Hamm, Rpfleger 1989, 525; Madert, AGS 1995, 94; siehe auch FG Baden-Württemberg, EFG 2011, 373). Unerheblich ist, dass auf Beklagtenseite der Insolvenzverwalter statt der ursprünglichen Partei das Verfahren fortgesetzt bzw. das Verfahren ein neues Aktenzeichen erhalten hat. Der Rechtszug bleibt auch dann der gleiche, wenn auf Seiten einer Partei andere Personen in den Rechtsstreit eintreten, wie die Erben anstelle des verstorbenen Erblassers oder der Insolvenzverwalter anstelle des Gemeinschuldners (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, aaO., § 19, Rz. 12; OLG Nürnberg, aaO.).
Nach alledem war die sofortige Beschwerde mit der auf § 97 Abs. 1 ZPO beruhenden Kostenentscheidung zurückzuweisen.
Die Rechtsbeschwerde wird mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zugelassen.
Fundstellen