Dipl.-Finw. (FH) Anna M. Nolte
6.1.1 Übertragung auf Ersatzwirtschaftsgut
Bei Ausscheiden von Wirtschaftsgütern des Anlage- oder des Umlaufvermögens aus dem Betriebsvermögen gegen Entschädigung
- infolge höherer Gewalt oder
- zur Vermeidung eines behördlichen Eingriffs
ist die Übertragung stiller Reserven bei Ersatzbeschaffung zulässig. Dadurch kann in diesen Fällen die Gewinnrealisierung vermieden werden. Dem Steuerpflichtigen soll ermöglicht werden, die gesamte erlangte Entschädigung zur Wiederbeschaffung des Ersatzwirtschaftsguts zu verwenden.
Voraussetzung ist, dass innerhalb einer bestimmten Frist ein funktionsgleiches (Ersatz-)Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wird, auf dessen Anschaffungs- oder Herstellungskosten die aufgedeckten stillen Reserven übertragen werden. Die Funktionsgleichheit des (Ersatz-)Wirtschaftsguts ist grundsätzlich nur erfüllt, wenn das neue Wirtschaftsgut in demselben Betrieb hergestellt oder angeschafft wird, dem das entzogene Wirtschaftsgut diente, es sei denn, die durch Enteignung oder höhere Gewalt entstandene Zwangslage gefährdet oder beeinträchtigt zugleich den Fortbestand des bisherigen Betriebs. Die Einlage eines Wirtschaftsguts ist keine Ersatzbeschaffung.
Entsprechendes gilt für Entschädigungszahlungen für notwendig gewordene Reparaturen an einem Wirtschaftsgut, das infolge höherer Gewalt oder nach einem behördlichen Eingriff beschädigt worden ist.
6.1.2 Bildung einer Rücklage
Ist bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs, in dem das Wirtschaftsgut aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist, noch keine Ersatzbeschaffung erfolgt, ist die Bildung einer steuerfreien Rücklage i. H. d. aufgedeckten stillen Reserven zulässig. Voraussetzung ist u. a., dass eine Ersatzbeschaffung ernstlich geplant und zu erwarten ist. Handelsrechtlich ist die Bildung einer Rücklage für Ersatzbeschaffung nicht zulässig. Wird das Wahlrecht in der Steuerbilanz ausgeübt, sind die betroffenen Wirtschaftsgüter in besondere, laufend zu führende Verzeichnisse aufzunehmen. Die Verzeichnisse sind Bestandteil der Buchführung.
Für die Ersatzbeschaffung bzw. Reparatur gibt es Fristen. So hat die Ersatzbeschaffung (Anschaffung oder Herstellung) beweglicher Wirtschaftsgüter bis zum Schluss des ersten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres zu erfolgen. Diese Frist verlängert sich auf bis zu vier Jahre für Wirtschaftsgüter, die in § 6b Abs. 1 Satz 1 EStG genannt sind (z. B. Grund und Boden, Gebäude oder Binnenschiffe), sowie bei neu hergestellten Gebäuden auf sechs Jahre. Im Zeitpunkt der Ersatzbeschaffung ist die Rücklage durch Übertragung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Ersatzwirtschaftsguts aufzulösen. Soweit das Ersatzwirtschaftsgut bis zum Ablauf der jeweiligen Frist nicht angeschafft oder hergestellt worden ist, ist die Rücklage bei Fristablauf gewinnerhöhend aufzulösen. Wurde die Absicht zur Ersatzbeschaffung zu einem früheren Zeitpunkt aufgegeben, ist die Rücklage zu diesem Zeitpunkt gewinnerhöhend aufzulösen.
6.1.3 Anwendung bei der Einnahmen-Überschussrechnung
Auch ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn durch Einnahmen-Überschussrechnung ermittelt, kann die aufgedeckten stillen Reserven auf ein Ersatzwirtschaftsgut übertragen. Innerhalb derselben Fristen, die bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich gelten, kann auch dieser Steuerpflichtige die noch nicht abgesetzten Beträge in den beiden folgenden Jahren berücksichtigen. Näheres regelt R 6.6 Abs. 5 EStR.
Eine Rücklage für Ersatzbeschaffung kann bei Wechsel der Gewinnermittlungsart fortgeführt werden.
6.1.4 Anwendung bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen
Auch bei der Gewinnermittlung nach Durchschnittsätzen nach § 13a EStG ist die Regelung entsprechend sinngemäß anwendbar. Näheres regelt R 6.6 Abs. 6 EStR.