Leitsatz
Die Aufwendungen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks sind als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig, wenn sie in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen anfallen.
Normenkette
§ 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1, § 10 Abs. 8 ErbStG, § 198 BewG
Sachverhalt
Der Kläger ist Alleinerbe seines Onkels. Zum Nachlass gehört u.a. ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück. Im Zusammenhang mit der vom FA angeforderten Erbschaftsteuererklärung ließ der Kläger ein Sachverständigengutachten zum Nachweis des gemeinen Werts des Grundstücks erstellen, für das ihm Kosten von 2.593,47 EUR entstanden sind. Das zuständige Lagefinanzamt stellte den Grundbesitzwert entsprechend dem im Gutachten ermittelten Verkehrswert fest. Das FA ließ die geltend gemachten Sachverständigenkosten für die Ermittlung des Grundstückswerts unberücksichtigt. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG beurteilte die Gutachtenkosten als nicht abzugsfähige Rechtsverfolgungskosten (FG Nürnberg, Urteil vom 22.3.2012, 4 K 1692/11, Haufe-Index 2990340).
Entscheidung
Dem ist der BFH nicht gefolgt und hat die Gutachtenkosten aus den in den Praxis-Hinweisen erläuterten Gründen Nachlassverbindlichkeit anerkannt.
Hinweis
Die Abzugsfähigkeit sog. Nachlassregelungskosten betrifft ein für die Schenkung- und Erbschaftsteuer typisches Konfliktfeld. Zu diesen Nachlassregelungskosten gehören unstreitig z.B. Steuerberatungskosten für die Erstellung der Erbschaftsteuererklärung. Bislang war unklar, ob und unter welchen Voraussetzungen dies auch für Sachverständigenkosten gilt, die ein Steuerpflichtiger zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts (§ 198 BewG) eines zum Nachlass gehörenden Grundstücks aufwendet.
1.Der Begriff der Nachlassregelungskosten ist grundsätzlich weit auszulegen. Erwerbsmindernd sind z.B. die Kosten für die Bewertung von Nachlassgegenständen, wenn sie in engem und sachlichem Zusammenhang mit dem Erwerb von Todes wegen (und nicht erst mit der späteren Verwaltung des Nachlasses) anfallen. Dazu gehören auch Kosten, die im Zusammenhang mit der Bedarfsbewertung eines nachlasszugehörigen Grundstücks entstehen. Dies umfasst auch die Aufwendungen für die Erstellung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts.
2.Problematisch ist der Abzug dieser Sachverständigenkosten im Hinblick auf § 10 Abs. 8 ErbStG, der ein Abzugsverbot für die eigene Erbschaftsteuer anordnet. Dieses Abzugsverbot erstreckt sich auch auf die einem Erwerber entstehenden Rechtsverfolgungskosten, die er zur Abwehr der von ihm zu entrichtenden eigenen Erbschaftsteuer aufwendet. Gleiches gilt für Rechtsverfolgungskosten, die mit der gesonderten Feststellung des Grundbesitzwerts für ein nachlasszugehöriges Grundstück entstehen.
Der Begriff der nicht abzugsfähigen Rechtsverfolgungskosten ist allerdings eng auszulegen. Er umfasst – nur – die vom Erben aufgewendeten Verfahrens- und Prozesskosten eines Rechtsbehelfs- oder finanzgerichtlichen Klageverfahrens gegen die Erbschaftsteuerfestsetzung. Dazu gehören jedoch nicht die Gutachtenkosten zum Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts eines Nachlassgrundstücks. Dass ein solcher Nachweis letztlich auch zur Minderung der eigenen Erbschaftsteuer führt, ist unerheblich. Dabei dürfte es für die Abzugsfähigkeit der Gutachterkosten letztlich nicht darauf ankommen, ob das eingeholte Sachverständigengutachten vom FA anerkannt wird und zur entsprechenden Feststellung eines niedrigeren gemeinen Werts führt.
3. Bei derartigen Gutachtenkosten könnte deren Abzugsfähigkeit allenfalls deshalb fraglich sein, weil sie – auch – dem Zweck dienen oder dienen können, die Verwertung (z.B. Verkauf) eines nachlasszugehörigen Grundstücks vorzubereiten oder zu erleichtern. Eine solche weitere Zwecksetzung stellt die Abzugsfähigkeit der Gutachtenkosten aber nicht infrage, wenn sie durch den Erbfall veranlasst sind und unmittelbar zeitlich und sachlich mit der Regelung und Abwicklung des Nachlasses zusammenhängen.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 19.6.2013 – II R 20/12