Entscheidungsstichwort (Thema)
Ladungsfähige Anschrift als Bestandteil eines zulässigen Rechtsmittels. Anschriftenänderung während des Verfahrens. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Abrechnungsbescheid zur Einkommensteuer 1992)
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Essentialien eines zulässigen gerichtlichen Rechtsbehelfs gehört auch die Bezeichnung der Beteiligten unter Angabe einer ladungsfähigen Anschrift. Dies ergibt sich aus der Bedeutung der Klageschrift bzw. der Antragsschrift für das finanzgerichtliche Verfahren.
2. Im Falle einer während des laufenden Verfahrens eintretenden Änderung hat der Rechtsmittelführer dem Gericht die neue Anschrift im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht mitzuteilen. Andernfalls ist das Rechtsmittel unzulässig.
Normenkette
FGO § 65 Abs. 1 S. 1
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung eines Abrechnungsbescheides über die Einkommensteuer 1992.
Die Antragstellerin hat unter der im Rubrum genannten Anschrift am 14.8.2002 beim Sächsischen Finanzgericht die Aussetzung der Vollziehung des Abrechnungsbescheides über die Einkommensteuer 1992 beantragt. Nachdem ihr die Eingangsbestätigung vom 21.8.2002 an diese Anschrift zugesandt werden konnte, ist der Antragserwiderungsschriftsatz des Antragsgegners vom 9.9.2002, der ihr mit gerichtlichem Schreiben vom 2.10.2002 zur Kenntnisnahme übersandt worden ist, am 11.10.2002 mit dem Vermerk zurückgekommen, dass die Empfängerin unter der Anschrift nicht ermittelt werden konnte. Eine Anfrage des Gerichts beim Einwohnermeldeamt der Stadt D hat am 22.10.2002 ergeben, dass die Antragstellerin nach wie vor unter der im Rubrum genannten Anschrift gemeldet ist und einen weiteren Wohnsitz in der in hat. Daraufhin ist ihr der Antragserwiderungsschriftsatz des Antragsgegners vom 9.9.2002 erneut mit gerichtlichem Schreiben vom 28.10.2002 zur Kenntnisnahme an diese Anschrift übersandt worden. Auch diese Post des Gerichts ist am 1.11.2002 mit dem Vermerk zurückgekommen, dass die Empfängerin unter der Anschrift nicht ermittelt werden konnte.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Antragsgegners (6 Bände) verwiesen, der vorlag und Gegenstand der gerichtlichen Beratung war.
Entscheidungsgründe
II.
Der Antrag ist unzulässig.
Die ordnungsgemäße Antragstellung entsprechend § 65 Abs. 1 FGO (vgl. Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 69 Rz. 59) erfordert regelmäßig die Bezeichnung des Antragstellers unter Angabe der ladungsfähigen Anschrift. Nach dem Wortlaut dieser Vorschrift gehört zu den Essentialien eines zulässigen gerichtlichen Rechtsbehelfs auch die Bezeichnung der Beteiligten. In welcher Weise die Beteiligten zu bezeichnen sind, schreibt § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO allerdings nicht vor. Rückschlüsse auf die zur Rechtsbehelfsführerbezeichnung erforderlichen Angaben lassen sich indes aus der Bedeutung der Klage-/Antragsschrift für das finanzgerichtliche Verfahren ziehen (BFH-Urteil vom 28. Januar 1997 VII R 33/96, BFH/NV 1997, 585). Zum einen dient die Angabe der ladungsfähigen Anschrift (d.h. des tatsächlichen Wohnorts) der Identifizierung des Klägers/Antragstellers. Zum anderen dient die Angabe des tatsächlichen Wohnortes dazu, den mit dem Prozess verbundenen Schriftverkehr zuzustellen. Ferner gehört es zu einer sachgerechten Prozessführung auch, dass das Finanzgericht die Möglichkeit hat, das persönliche Erscheinen des Klägers/Antragstellers anzuordnen und durchzusetzen. Auch hierzu muss das Gericht die Anschrift des Klägers/Antragstellers kennen (BFH-Urteil in BFH/NV 1997, 585). Des Weiteren ist die Anschrift nach § 105 FGO im Rubrum der gerichtlichen Entscheidung anzugeben, die gemäß § 151 Abs. 2 FGO auch als Vollstreckungstitel Bedeutung erlangen kann. Schließlich ist die Kläger-/Antragstelleranschrift zumindest deshalb regelmäßig erforderlich, weil anders nicht sichergestellt werden kann, dass sich der Kläger/Antragsteller bei etwaigem Unterliegen seiner Kostenpflicht nicht durch Unerreichbarkeit entzieht (BFH-Urteil vom 19. Oktober 2000 IV R 25/00, BStBl II 2001, 112).
Diesen Zwecken des Erfordernisses der Kläger-/Antragstellerbezeichnung ist aber nicht bereits dann genüge getan, wenn der Kläger/Antragsteller seine Anschrift in der Klage-/Antragsschrift richtig bezeichnet. Vielmehr ist darüber hinaus erforderlich, dass Veränderungen während des laufenden Verfahrens umgehend mitgeteilt werden. Denn der Kläger/Antragsteller hat im Rahmen seiner prozessualen Mitwirkungspflicht dafür Sorge zu tragen, dass er durch die Angabe seines tatsächlichen Wohnortes und Lebensmittelpunktes für das Gericht erreichbar bleibt (vgl. BFH-Urteil vom 6. März 2001 IX R 98/97, BFH/NV 2001, 1273). Treten Veränderungen ein, ist die Mitteilung der neuen Anschrift geboten; anderenfalls ist die Klage/der Antrag unzulässig. So liegt es hier.
Fundstellen