Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzung der Vollziehung. Rechtmäßigkeit von Zuschätzungen aufgrund einer Geldverkehrsrechnung. Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (Einkommensteuer 1997 bis 1999, Solidaritätszuschlag zur Einkommensteuer 1997 bis 1999, Zinsen zur Einkommensteuer 1997 bis 1999 und Kirchensteuer 1997 bis 1999)
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts kann auch bei formell ordnungsgemäßer Buchführung bestehen, wenn die Annahme begründet ist, dass höhere Betriebseinnahmen erzielt oder höhere Privatentnahmen getätigt als gebucht wurden. Diese Annahme können ein nicht aufgeklärter Vermögenszuwachs oder – diesem gleichstehend – ein sich aus einer Geldverkehrsrechnung ergebender Ausgabenüberschuss rechtfertigen.
2. Ernstliche Zweifel an einer Schätzungsbefugnis des Finanzamts bestehen insoweit, als der Steuerpflichtige in der Lage ist, die auf einer Geldverkehrsrechnung fußende Annahme des Finanzamts, er habe höhere Entnahmen getätigt als gebucht, durch Vorlage von Unterlagen oder Vortrag hinreichend wahrscheinlicher oder glaubhaft gemachter Umstände zu erschüttern.
Normenkette
AO 1977 § 162 Abs. 2, § 146 Abs. 1 S. 2; FGO § 96 Abs. 1 S. 1 Hs. 2, § 69 Abs. 2 S. 2, Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Vollziehung des Änderungsbescheides über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag 1997 vom 28.01.2002 wird bis zur Bestandskraft des Bescheides, längstens bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung insoweit ausgesetzt, als sich die festgesetzten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen durch die Zuschätzung einer Entnahme in Höhe von 114.485,47 DM erhöht haben, höchstens in Höhe von 16.147,62 EUR Einkommensteuer, 2.746,00 EUR Zinsen zur Einkommensteuer, 1.211,07 EUR Solidaritätszuschlag und 1.453,29 EUR katholische Kirchensteuer.
Die Vollziehung des Änderungsbescheides über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag 1998 vom 28.01.2002 wird bis zur Bestandskraft des Bescheides, längstens bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung insoweit ausgesetzt, als sich die festgesetzten Steuern und steuerlichen Nebenleistungen durch die Zuschätzung einer Entnahme in Höhe von 149.957,45 DM erhöht haben, höchstens in Höhe von 22.113,37 EUR Einkommensteuer, 2.431,00 EUR Zinsen zur Einkommensteuer, 1.237,57 EUR Solidaritätszuschlag und 1.990,20 EUR katholische Kirchensteuer.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Von den Kosten des Verfahrens tragen der Antragsgegner 2/3 und die Antragsteller 1/3.
Tatbestand
I.
Streitig ist die Rechtmäßigkeit von Zuschätzungen aufgrund einer Geldverkehrsrechnung und die vom Antragsgegner aus dieser Zuschätzung gezogenen steuerlichen Folgen.
Die Antragsteller werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Antragsteller betreibt eine Konditorei und erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Vom 11.06.2001 bis zum 15.06.2001 wurde beim Antragsteller eine die Streitjahre umfassende Außenprüfung u. a. wegen Einkommensteuer, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer durchgeführt. Dabei stellte der Prüfer fest, dass die Kassenführung des Antragstellers nicht ordnungsgemäß sei. Die Tagesendsummenbons seien zwar ausgedruckt aber nicht aufbewahrt worden. Der Antragsteller habe erklärt, die Kassenbons bis zum Monatsende zu sammeln und sie dann in sein handschriftliches Kassenbuch zu übertragen. Im Rahmen einer Privatgeldverkehrsrechnung für die Streitjahre konnten die Mittelherkünfte insbesondere für einen privaten Hausbau nicht oder nur teilweise aufgeklärt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Privatgeldverkehrsrechnung nach der Schlussbesprechung (Bl. 63 und 64 der Gerichtsakte) verwiesen.
In Höhe der um einen Sicherheitszuschlag von 10 % erhöhten Jahresfehlbeträge gemäß der Privatgeldverkehrsrechnung von 104.077,70 DM für 1997, von 136.324,95 DM für 1998 und von 73.655,88 DM für 1999 schätzte der Antragsgegner Entnahmen zu. Dementsprechend erließ er unter dem 28.01.2002 die verfahrensgegenständlichen (Änderungs-)Bescheide. Dagegen legten die Antragsteller am 06.02.2002 Einspruch ein und beantragten die Aussetzung der Vollziehung. Mit Bescheiden vom 19. und 20.02.2002 setzte der Antragsgegner die verfahrensgegenständlichen Bescheide zum Teil teilweise wegen anderer hier nicht streitiger Punkte von der Vollziehung aus. Soweit die Bescheide auf den Zuschätzungen beruhten, wurde die Aussetzung der Vollziehung abgelehnt.
Am 27.02.2002 haben die Antragsteller Aussetzung der Vollziehung beim Sächsischen Finanzgericht beantragt.
Im gerichtlichen Verfahren hat der Antragsgegner hinsichtlich einzelner von den Antragstellern vorgetragener, die Herkunft privater Mittel begründender Sachverhalte unter vorläufiger Minderung der Brutto-Zuschätzungsbeträge um 35.524 DM in 1997, 127.479 DM in 1998 und 20.000 DM in 1999 mit Bescheiden vom 18.06.2002 die Vollziehung weiter ausgesetzt.
Die Antragsteller tragen über die bereits berücksichtigten Sachverhalte hinaus vor:
Die in der Geldverkehrsrechnung anerkannten Anfangsbestände seien um Geldgeschenke von dem Vater ...