Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Grundsteuerwerts für ein Mietwohngrundstück in Sachsen nach den Regelungen des BewG in der Fassung des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 nicht verfassungswidrig
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Berechnung des Grundsteuerwerts für ein Mietwohngrundstücks in Sachsen ist nicht deswegen verfassungswidrig, weil nicht von der tatsächlich erzielten Miete, sondern von einer durchschnittlichen Miete auf statistischer Grundlage (Mikrozensus des Statistischen Bundesamtes) ausgegangen wird, oder weil ferner beim Bodenrichtwert keine Möglichkeit des Beweises eines geringeren Grundstückswerts besteht oder weil der jeweilige individuelle Gebäudezustand unbeachtlich ist.
2. Der Gesetzgeber hatte beim Grundsteuer-Reformgesetz einen weiten Gestaltungsspielraum und durfte die erforderliche Bewertung der Grundstücke möglichst einfach und praktikabel gestalten und hierbei individuelle Bewertungsfaktoren unberücksichtigt lassen. Eine weitere Differenzierung nach konkreten Ausstattungsmerkmalen würde die vom Gesetzgeber beabsichtigte Typisierung und Vereinfachung des Verfahrens erheblich erschweren.
3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn die Bodenwerte von Gutachterausschüsssen – in Sachsen nach der Sächsischen Gutachterausschussverordnung (SächsGAVO) – ermittelt werden. Die Bewertungen des Gutachterausschusses sind auch nicht deswegen angreifbar, weil sich aus der Institution des Ausschusses und den gesetzlichen Vorgaben für seine Zusammensetzung ergibt, dass Mitarbeiter der Finanzämter mitwirken.
4. Die Bewertungsvorschriften der §§ 218 ff. BewG in der Fassung des Grundsteuer-Reformgesetzes vom 26.11.2019 sind verfassungskonform dahin auszulegen, dass auf der Ebene der Grundsteuerwertfeststellung im Einzelfall der Nachweis eines niedrigeren (gemeinen) Werts erfolgen kann (Anschluss an BFH, Beschluss v. 27.5.2024, II B 78/23). Hierfür ist regelmäßig der Nachweis erforderlich, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festgestellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist. Als „extrem über das normale Maß hinausgehend” hat es der BFH in mehreren Entscheidungen angesehen, wenn der vom Finanzamt festgestellte Wert den nachgewiesenen niedrigeren gemeinen Wert um 40 % oder mehr übersteigt.
5. In welcher Form Nachweis zu erbringen ist, dass der Wert der wirtschaftlichen Einheit den festgestellten Grundsteuerwert derart unterschreitet, dass sich der festgestellte Wert als erheblich über das normale Maß hinausgehend erweist (siehe 4.), richtet sich nach den allgemein für das Steuerverfahrensrecht geltenden Regelungen. Dies bedeutet insbesondere, dass Steuerpflichtige den Nachweis auch ohne die formalisierten Nachweispflichten des § 198 BewG führen können, der zum Nachweis eines unter dem einfachgesetzlich festgestellten Bedarfswert liegenden Werts entweder ein Gutachten des zuständigen Gutachterausschusses im Sinne der §§ 192 ff. BauGB bzw. eines besonders bestellten oder zertifizierten Sachverständigen oder Gutachters für die Wertermittlung von Grundstücken (§ 198 Abs. 2 BewG) oder einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr innerhalb eines Jahres vor oder nach dem Bewertungsstichtag zustande gekommenen Kaufpreis über das zu bewertende Grundstück verlangt (Anschluss an Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss v. 23.11.2023, 4 V 1429/23).
Normenkette
BewG § 198 Abs. 1-3, §§ 248, 247 Abs. 2, § 249 Abs. 1 Nr. 4, §§ 252-254, 257; BewG Anlage 39; BauGB § 19 Abs. 1, 3, §§ 192, 199 Abs. 2 Nr. 1; SächsGAVO §§ 1-2; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 19, 20 Abs. 3
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung des Grundsteuerwertes.
Die Klägerin ist eine Gesellschaft, deren Tätigkeitsschwerpunkt auf der Vermietung von Wohnimmobilien liegt. Sie war unter anderem Alleineigentümerin der vermieteten Eigentumswohnung Nummer …in dem Gebäude … in X mit einer Größe von 53 m². Das Grundstück hat eine Fläche von 1.256 m², der Miteigentumsanteil der Klägerin beträgt 604/10.000.
Am 1. Juli 2022 reichte die Klägerin die Erklärung zur Feststellung des Grundsteuerwerts 2022 ein. Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 7. Oktober 2022 über den Grundsteuerwert (Hauptfeststellung) auf den 1. Januar 2022 den Grundsteuerwert auf EUR 132.300 und den Grundsteuermessbetrag zum 1. Januar 2025 auf EUR 47,63 (= 0,36‰ von EUR 132.300) fest.
Die monatliche Nettokaltmiete bemaß der Beklagte mit EUR 11,12/m² abzüglich von 10% (1,11 EUR/m²) für die Mietniveaustufe 2, so dass er eine monatliche Nettokaltmiete von EUR 530,53 und einen jährlichen Rohertrag von EUR 6.366,36 (12 × EUR 530,53) errechnete. Von dem Rohertrag zog er 25% (EUR 1.591,59) als Bewirtschaftungskosten ab. Den so ermittelten Reinertrag von EUR 4.774,77 multiplizierte er mit einem Vervielfältiger von 27,51 gemäß Anlage 37 zum BewG bei einem Liegenschaftszins von 3,0% sowie eine...