Entscheidungsstichwort (Thema)
Im Rahmen eines „betreuten Wohnens” für überwiegend über 75 Jahre alte Menschen angebotene Betreuungs-, Hilfs- und Pflegeleistungen eines im Bereich der freien Wohlsfahrtspflege tätigen gemeinnützigen Vereins als steuerbegünstigter Zweckbetrieb. Begriff der Altenhilfe. Auswirkungen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auf das Ausschließlichkeitsgebot
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein als gemeinnützig anerkannter eingetragener Verein der freien Wohlfahrtspflege, der in Zusammenarbeit mit dem Vermieter im Bereich eines „altenbetreuten Wohnens” eigenständig auf Selbstkostenbasis Betreuungs-, Hilfs- und Pflegeleistungen für mehrheitlich über 75 Jahre alte Senioren anbietet bzw. vermittelt, unterhält auch dann einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb i.S. von § 66 i.V.mit § 68 Nr. 1a AO, wenn sich die vertraglichen Verpflichtungen teilweise nicht unmittelbar aus Verträgen mit den Senioren, sondern mit dem Vermieter ergeben und wenn der Verein von dem Vermieter monatlich unabhängig von der tatsächlichen Inanspruchnahme der gemeinnützigen Leistungen eine Mindestzahlung erhält.
2. Die Altenhilfe umfasst nach dem Selbstverständnis der Wohlfahrtsverbände die Beratung, Altenclubs, Mahlzeitendienste, Altenerholung oder Altentagesstätten. Als steuerbegünstigte Maßnahmen in diesem Sinne kommen gemäß § 71 Abs. 2 Nr. 1 – 5 SGB XII insbesondere solche zur Unterstützung und Beratung, aber auch Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung, der Bildung und den kulturellen Bedürfnissen alter Menschen dienen, in Betracht.
3. § 64 AO 1977 setzt den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb nicht in ein wie auch immer geartetes Verhältnis zum Umfang des (übrigen) gemeinnützigen Bereiches der Körperschaft, sondern durchbricht auch die Ausschließlichkeitsregel des § 56 AO.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; GewStG § 3 Nr. 6; UStG § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a, § 4 Nr. 18 Buchst. b, c; AO §§ 14, 52 Abs. 2 Nr. 2, §§ 53, 55-56, 65, 66 Abs. 1-3, § 68 Nr. 1 Buchst. a; SGB XII § 71 Abs. 2 Nrn. 1, 5
Nachgehend
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2003 werden die Bescheide über Körperschaftsteuer, den einheitlichen Gewerbesteuermessbetrag und Umsatzsteuer 1997 vom 30. November 2001 dahingehend geändert, dass die Körperschaftsteuer auf 18.346 DM, der Gewerbesteuermessbetrag auf 2.180 DM und die Umsatzsteuer auf 17.103,69 DM festgesetzt werden.
2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das Finanzamt kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 7/6 der Kosten leistet.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kläger im Bereich „betreutes Wohnen” einen sog. wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält, für den eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz, gemäß § 3 Abs. 6 Gewerbesteuergesetz und § 4 Nr. 18 Umsatzsteuergesetz nicht in Betracht kommt.
Der Kläger ist ein eingetragener Verein der freien Wohlfahrtspflege im Sinne von Abschnitt A. Nr. 6 der Anlage 1 zu § 48 EStDV. Er ist Mitglied im Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Sachsen e.V., der wiederum Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband e.V. ist.
Nach § 2 der Satzung versteht sich der Kläger in seinem Wirken als Interessenvertreter der älteren Menschen und Kinder, hilfsbedürftiger Bürger aller Altersgruppen ohne Ansehen der Person. Er setzt sich für die Wahrung und Verwirklichung der sozialen, kulturellen und ökologischen Rechte dieser Personen ein. Der Kläger leistet mit seinen ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern beratende, betreuende, pflegende und unterstützende Hilfe mit dem Ziel, eine aktive Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen. Der Kläger unterstützt und fördert das öffentliche Gesundheits- und Wohlfahrtswesen, das freiwillige soziale Engagement in allen Tätigkeitsfeldern des Verbandes unter besonderer Berücksichtigung der offenen Altenhilfe, vor allem in Form von Nachbarschafts- und Selbsthilfe, die Kinder-, Jugend-, Familien-, Behinderten- und Gesundheitshilfe sowie die Solidarität und Gemeinschaft von Menschen aller Generationen. Nach § 3 der Satzung ist der Kläger selbstlos tätig. Er verfolgt ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige bzw. mildtätige Zwecke. Seine Mittel dürfen nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwendet werden; Zuwendungen an Mitglieder sind nicht zulässig. Nach § 13 der Satzung wird die Arbeit des Klägers aus Mitgliedsbeiträgen, Sammlungen, Spenden, Einnahmen von Lotterien (nur zweimal jährlich) sowie der eigenen Tätigkeit im Rahmen von Zweckbetrieben finanziert. Der Stadtverband kann Eigentum erwerben und Zweckbetriebe / wirtschaftliche Geschäftsbetriebe entsprechend der Abgabenordnung unterhalten. Er kann zudem ...