rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Verrechnung des Vorsteuervergütungsanspruchs der Insolvenzmasse mit der Umsatzsteuerschuld des Neuerwerbs. Insolvenzmasse und Neuerwerb sind keine verschiedenen Rechtspersönlichkeiten bzw. Steuersubjekte
Leitsatz (redaktionell)
Der Aufrechnung des Umsatzsteuervergütungsanspruchs der Masse mit der Umsatzsteuerschuld aus der Neuerwerbstätigkeit der Insolvenzschuldnerin desselben Kalenderjahres steht ein Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 InsO nicht entgegen. Das Insolvenzunternehmen und das sog. Neuerwerbs-Unternehmen bilden -auch bei verschiedenen Steuernummern- keine unterschiedlichen Rechtspersönlichkeiten bzw. Steuersubjekte (entgegen Sächsisches FG v. 27.8.2008, 2 K 998/08).
Normenkette
UStG §§ 2, 16 Abs. 2 S. 1; InsO § 35 Abs. 2, § 295 Abs. 2, §§ 55, 96 Abs. 1, § 80
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 16.07.2012; Aktenzeichen VII R 60/11) |
Tenor
1. Die Klage wird angewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin zur Last.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides.
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen der … (Insolvenzschuldnerin). Am 15. Januar 2007 erklärte die Insolvenzverwalterin die Freigabe des von der Insolvenzschuldnerin unterhaltenen Gewerbes „Autovermietung …” Dazu erklärte die Insolvenzschuldnerin, monatlich gegenüber der Klägerin Einnahmen und Ausgaben des Neuerwerbs abzurechnen und die pfändbaren Beträge an die Klägerin abzutreten.
Die Insolvenzschuldnerin erfüllte ihre auf den Umsatzsteuervoranmeldungen für das 1. bis 4. Quartal 2008 beruhenden Zahlungsverpflichtungen nicht. Nachdem die Klägerin für die Masse eine Umsatzsteuererklärung 2008 eingereicht hatte, die einen Erstattungsbetrag von 1.261,93 Euro auswies, buchte der Beklagte den Erstattungsbetrag vollständig auf die höhere rückständige Umsatzsteuer der Insolvenzschuldnerin um und erließ am 28. Juli 2009 einen entsprechenden Abrechnungsbescheid. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom 25. Februar 2010).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht verrechnen dürfe. Es handele sich nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Sächsischen Finanzgerichtes bei der Masse und dem Neuerwerb um zwei verschiedene Rechtspersönlichkeiten. Der Aufrechnung stehe zudem § 96 InsO entgegen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Abrechnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass festgestellt werde, dass der Vergütungsanspruch der Klägerin nicht durch Verrechnung mit der Umsatzsteuerforderung des Beklagten aus den Umsatzsteuervoranmeldungen 2008 erloschen ist.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass das Umsatzsteuerrecht dem Insolvenzrecht vorgehe. Danach sei bei einem Unternehmer zunächst die Umsatzsteuer mit den Vorsteuerbeträgen zu saldieren. Erst dieser Saldo stelle die Forderung im Rechtsschuldverhältnis zwischen dem Beklagten und der Masse bzw. dem Gemeinschuldner fest. Deswegen könnten die Aufrechnungsverbote des § 96 Abs. 1 InsO nicht einschlägig sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten darauf verzichtet haben.
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Rechtmäßigkeit der „Verrechnung” des Umsatzsteuervergütungsanspruchs 2008 der Masse mit einer Umsatzsteuerschuld 2008 aus der Neuerwerbstätigkeit der Insolvenzschuldnerin im streitigen Abrechnungsbescheid festgestellt.
Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung (Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit der Forderungen) liegen vor. Schuldner und Gläubiger einer Umsatzsteuerforderung oder eines Umsatzsteuervergütungsanspruchs ist ungeachtet des Zeitpunkts ihrer Entstehung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzschuldner (BFH, BFH/NV 2011, 647). Der Umstand, dass die Insolvenzschuldnerin mit einer früheren Erwerbstätigkeit als Einzelunternehmerin insolvent geworden ist und nunmehr erneut als Einzelunternehmerin tätig ist, führt nicht dazu, dass für das Insolvenzunternehmen und das sog. Neuerwerbs-Unternehmen unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten entstehen, bei denen jeweils unabhängig voneinander eigenständige Rechte/Ansprüche oder Verbindlichkeiten begründet würden.
Für unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten spricht nicht die Vergabe unterschiedlicher Steuernummern. Wenn die Insolvenzschuldnerin für den Tätigkeitszeitraum des insolvent gewordenen Unternehmens von der Finanzverwaltung mit einer anderen Steuernummer geführt wird als für den Zeitraum des sog. Neuerwerbs, so hat dies nur verwaltungsinterne Gründe. Es berührt ihre Rechtspersönlichkeit nicht. Es ist die Insolvenzschuldnerin, die als natürliche Person gemäß § 1 BGB rechtsfähig ist. Als solche ist sie bis zu ihrem Tod Träger von Rechten und Pflichten bzw. kann in ihrer Person Rechte beg...