rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechtigung des FA zur Verrechnung eines Umsatzsteuererstattungsanspruchs der Insolvenzmasse mit einer Umsatzsteuerforderung gegen das Neuerwerbs-Unternehmen des Insolvenzschuldners
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Umstand, dass der Insolvenzschuldner mit einer früheren Erwerbstätigkeit als Einzelunternehmer insolvent geworden ist und nunmehr nach Freigabe durch den Insolvenzverwalter erneut als Einzelunternehmer (sog. Neuerwerbs-Unternehmen) tätig ist, führt trotz des Bestehens mehrerer unterschiedlicher Steuernummern nicht dazu, dass für das Insolvenzunternehmen und das sog. Neuerwerbs-Unternehmen unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten oder Steuersubjekte entstehen, bei denen jeweils unabhängig voneinander eigenständige Rechte/Ansprüche oder Verbindlichkeiten begründet würden (gegen Sächsisches FG v. 27.8.2008, 2 K 998/08). Daher darf das FA zulässigerweise einen Umsatzsteuererstattungsanspruch der Insolvenzmasse mit einer Umsatzsteuerschuld aus der Neuerwerbstätigkeit des Insolvenzschuldners verrechnen.
2. Einer Verrechnung steht § 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht entgegen, da die Forderung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus der freigegebenen Tätigkeit des Insolvenzschuldners entstanden ist.
3. Auch § 96 Abs. 1 Nr. 4 InsO ist nicht einschlägig, da der Umsatzsteueranspruch des FA nicht durch die Abgabe übereinstimmender Willenserklärungen entstanden ist, sondern kraft Gesetzes.
Normenkette
AO § 218 Abs. 2; InsO § 96 Abs. 1 Nrn. 1, 4, § 35 Abs. 2, § 295 Abs. 2, § 80; UStG § 2 Abs. 1, § 16 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 16.07.2012; Aktenzeichen VII R 1/12) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens fallen dem Kläger zur Last.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides.
Der Kläger ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter über das Vermögen des G. (Insolvenzschuldner). Nachdem der Kläger die selbstständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners im Bereich Drechsler- und Glaserhandwerk freigegeben hatte, und der Insolvenzschuldner für das Jahr 2007 keine Umsatzsteuererklärung abgegeben hatte, schätzte der Beklagte zunächst die Besteuerungsgrundlagen für die Umsatzsteuer 2007 und verrechnete den sich daraus ergebenden Umsatzsteuerbetrag mit dem Umsatzsteuererstattungsanspruch der Masse in Höhe von 233,63 Euro.
Gegen den diese Verrechnung bestätigenden Abrechnungsbescheid vom 12. Januar 2009 erhob der Kläger erfolglos Einspruch (Einspruchsentscheidung vom 25. August 2010).
Der Kläger ist der Auffassung, dass der Beklagte nicht verrechnen dürfe. Es handele sich nach der Rechtsprechung des 2. Senats des Sächsischen Finanzgerichtes bei der Masse und dem Neuerwerb um zwei verschiedene Rechtspersönlichkeiten. Der Aufrechnung stehe zudem § 96 InsO entgegen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Abrechnungsbescheid vom 12. Januar 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 25. August 2010 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass das Umsatzsteuerrecht dem Insolvenzrecht vorgehe. Danach sei bei einem Unternehmer zunächst die Umsatzsteuer mit den Vorsteuerbeträgen zu saldieren. Erst dieser Saldo stelle die Forderung im Rechtsschuldverhältnis zwischen dem Beklagten und der Masse bzw. dem Insolvenzschuldner fest. Deswegen könnten die Aufrechnungsverbote des § 96 Abs. 1 InsO nicht einschlägig sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die vorgelegten Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Beklagte hat zu Recht die Rechtmäßigkeit der „Verrechnung” des Umsatzsteuererstattungsanspruchs 2007 der Masse mit einer Umsatzsteuerschuld 2007 aus der Neuerwerbstätigkeit des Insolvenzschuldners im streitigen Abrechnungsbescheid festgestellt (vgl. zum Folgenden SächsFG, Urteil vom 8. September 2011, 6 K 501/10).
Die Voraussetzungen für eine Aufrechnung (Gleichartigkeit und Gegenseitigkeit der Forderungen) liegen vor. Schuldner und Gläubiger einer Umsatzsteuerforderung oder eines Umsatzsteuervergütungsanspruchs ist ungeachtet des Zeitpunkts ihrer Entstehung vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Insolvenzschuldner (BFH, BFH/NV 2011, 647). Der Umstand, dass der Insolvenzschuldner mit einer früheren Erwerbstätigkeit als Einzelunternehmer insolvent geworden ist und nunmehr erneut als Einzelunternehmer tätig ist, führt nicht dazu, dass für das Insolvenzunternehmen und das sog. Neuerwerbs-Unternehmen unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten entstehen, bei denen jeweils unabhängig voneinander eigenständige Rechte/Ansprüche oder Verbindlichkeiten begründet würden.
Für unterschiedliche Rechtspersönlichkeiten spricht nicht die Vergabe unterschiedlicher Steuernummern. Wenn der Insolvenzschuldner für den Tätigkeitszeitraum des insolvent gewordenen Unternehmens von der Finanzverwaltung mit einer anderen Steuernummer geführt wird als für den Zeitraum des ...