Entscheidungsstichwort (Thema)
Häusliches Arbeitszimmer einer Erzieherin. „anderer Arbeitsplatz” im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Frage, ob ein „anderer Arbeitsplatz” im Sinne des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG zur Verfügung steht, ist tätigkeitsbezogen zu beantworten. Entscheidend ist danach, ob der „andere Arbeitsplatz” geeignet ist, der beruflichen Tätigkeit dort nachzugehen. Die Eignung des Arbeitsplatzes beurteilt sich dabei nach objektiven Gesichtspunkten; subjektive Vorlieben und Befindlichkeiten der Steuerpflichtigen müssen bei der Frage der Eignung des Arbeitsplatzes grundsätzlich unbeachtet bleiben. Allein der Wunsch, lieber zu Hause zu arbeiten, ist daher für die Frage der Annehmbarkeit des Arbeitsplatzes unbeachtlich.
2. Einer Erzieherin steht in der Kindertagesstätte kein „anderer Arbeitsplatz” zur Verfügung, wenn ihr dort von ihrem Arbeitgeber kein büromäßig ausgestatteter Arbeitsplatz, an dem sie Schuleignungsprofile von den von ihr betreuten Kindern sowie Vor- und Nachbereitungsarbeiten (z. B. Vorbereitung von Bastelarbeiten, Gestaltungsübungen, Elterngesprächen; Erstellen von Entwicklungsberichten und Porfolios) durchführen kann, zugewiesen ist, sich dort lediglich ein Computer im Dienstzimmer der Leiterin des Kindergartens befindet, der von den Erzieherinnen ggf. mitbenutzt werden darf und wenn es der Erzieherin somit in der Kindertagesstätte mit den vorhandenen und zugänglichen dienstlichen Vorrichtungen nicht möglich ist, objektiv erforderliche, über die reine Betreuung von Kindern hinausgehende und mit dem Beruf verbundene Tätigkeiten durchzuführen.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 5, § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b Sätze 1-3
Tenor
1. Der Einkommenssteuerbescheid 2015 vom … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … wird dahingehend geändert, das weitere Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit in Höhe von … EUR zum Abzug zugelassen werden.
2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
4. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 v.H. des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu Recht Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer der Klägerin i.H.v. … EUR nicht zum Abzug als Werbungskosten zugelassen hat.
Die Kläger sind Eheleute, die in dem Streitjahr 2015 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt wurden und zusammen mit ihrer Tochter ein Reihenhaus mit einer Wohnfläche von 155 qm bewohnten. Die Klägerin war vom … bis zum …2015 beim „… „ in der Kinderstube als Erzieherin tätig.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger u.a. Aufwendungen i.H.v. … EUR für ein 22 qm großes Arbeitszimmer als Werbungskosten bei den Einkünften der Klägerin aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend. Sie trugen vor, dass der Klägerin für Vor- und Nachbereitungszeiten im Rahmen ihrer Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Der Beklagte lehnte eine Berücksichtigung der Aufwendungen für das Arbeitszimmer ab und setzte mit Bescheid vom … die Einkommensteuer 2015 i.H.v. … EUR fest. Der gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 vom … eingelegte Einspruch der Kläger wurde mit Entscheidung des Beklagten vom … zurückgewiesen. In seinen Gründen führte der Beklagte aus, dass der Klägerin in den Räumen der Kinderstube ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden habe. So setzte der Begriff „Arbeitsplatz” keine räumliche Abgeschlossenheit voraus. Auch ein Raum, den sich der Steuerpflichtige mit weiteren Personen teile könne ein anderer Arbeitsplatz im Sinne der Abzugsbeschränkung sein. Im Streitfall habe die Klägerin die von ihr dargelegten Arbeiten (Vorbereitung von Bastelarbeiten, Gestaltungsübungen, Elterngespräche sowie das Erstellen von Entwicklungsberichten) zwar außerhalb der Dienstzeiten, jedoch in der Kinderstube … erledigen können. Zudem sei nicht nachvollziehbar, dass die Aktivitäten überhaupt außerhalb der Dienstzeit erfolgt seien.
Gegen die Einspruchsentscheidung vom … haben die Kläger am … Klage erhoben. Sie tragen vor, das häusliche Arbeitszimmer sei zwingend notwendig, um Vor- und Nachbereitungsarbeiten im Rahmen der Tätigkeit der Klägerin als Erzieherin zu erledigen. Diese Arbeiten könnten nicht während der Dienstzeit abgeleistet werden; dies sei auch vom Dienstherrn bestätigt worden. Ein geeigneter Arbeitsplatz, welcher nach den Dienstzeiten für diese Tätigkeiten genutzt werden könne, stehe in der Kinderstube … nicht zur Verfügung. Der Arbeitsplatz in der Kindertagesstätte sei objektiv für die neben der Betreuung der Kinder gesetzlich vorgeschriebenen Tätigkeiten (Schreiben von Einschätzungen und Berichten) und der freiwillig erbrachten Tätigkeiten (Vorbereitung von Aktivitäten in der Kita) nicht geeignet. Eine solche, e...