rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kindergeldanspruch für die Zeit von der Ablegung der letzten Prüfung an der Universität bis zur Bekanntgabe der Prüfungsentscheidung sechs Monate später trotz Erwerbstätigkeit im Umfang von 15 Wochenarbeitsstunden
Leitsatz (redaktionell)
1. Die universitäre Berufsausbildung endet grundsätzlich nicht schon mit Ablegung der letzten Prüfung, sondern erst mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, es sei denn, das volljährige Kind nimmt schon vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses eine Vollzeiterwerbstätigkeit im angestrebten Beruf auf.
2. Nach diesen Grundsätzen besteht weiter ein Kindergeldanspruch für die in „Berufsausbildung” befindliche Tochter, wenn sie nach Abgabe der Diplomarbeit als letzter Prüfungshandlung weiter an der Universität immatrikuliert ist und bis zur Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses sechs Monate später im Schnitt knapp 15 Stunden pro Woche für einen geringen Stundenlohn (7 Euro) und damit nicht „in Vollzeit” arbeitet.
3. Die verspätete, in der Verantwortung der Universität liegende Mitteilung des Prüfungsergebnisses lässt den Kindergeldanspruch nicht entfallen.
Normenkette
EstG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a
Tenor
1. Unter Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom 02.08.2010 und der Einspruchsentscheidung vom 04.02.2011 ist dem Kläger Kindergeld für seine Tochter für die Zeit von November 2009 bis einschließlich März 2010 zu bewilligen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Beklagten auferlegt.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den durch Einspruchsentscheidung vom 04.02.2011 (Kindergeldakte Bl. 167) bestätigten Bescheid vom 02.08.2010 (Kindergeldakte Bl. 127), mit dem die Familienkasse die bislang bestehende Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Klägers, ab November 2009 aufgehoben und das gezahlte Kindergeld für November 2009 bis März 2010 i.H. von insgesamt 880 EUR zurückgefordert hatte mit der Begründung, die Anspruchsvoraussetzungen nach § 32 Abs. 4 EStG seien nicht erfüllt. Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Bescheid und die Einspruchsentscheidung verwiesen. Im Streit steht, zu welchem Zeitpunkt die Berufsausbildung von … geendet hat.
Sie absolvierte ein Studium im Studiengang Diplom-Übersetzerin/Dolmetscherin für das Hauptfach Englisch und die Nebenfächer Russisch sowie Journalistik. Sie war bis zum Abschluss des Wintersemesters 2009/2010 am 31.03.2010 an der Universität eingeschrieben (vgl. Immatrikulationsbescheinigung, Kindergeldakte Bl. 99). Im Oktober 2009 reichte sie ihre Diplomarbeit ein. Im Rahmen eines E-Mail-Schriftwechsels (vgl. Bl. 12 d.A.) wurde ihr am 10.05.2010 mitgeteilt, ihre Abschlussdokumente lägen derzeit dem Prüfungsausschuss und dem ab 17.05.2010 wieder im Büro befindlichen Dekan der Fakultät zur Unterschrift vor; die Diplomarbeit sei mit der Gesamtnote gut begutachtet. Am 20.05.2010 erhielt sie die am 30.04.2010 ausgestellte Diplom-Urkunde unter dem Datum „06.10.2009” ausgehändigt, womit ihr der akademische Grad Diplom-Übersetzerin verliehen wurde (vgl. Bl. 12 RS d.A., Kindergeldakte Bl. 126). Die Tochter war ab 18.12.2009 beschäftigt als Redakteurin mit dem Kurzfassen von Presseartikeln bei einer maximalen Arbeitszeit von 40 Stunden die Woche und einer Vergütung von 7 EUR/Stunde (vgl. Arbeitsvertrag, Kindergeldakte Bl. 153). Aus dieser Tätigkeit erzielte sie im Dezember 2009 ein Gehalt von 186,67 EUR sowie im Zeitraum von Januar bis Mai 2010 Gehalt i.H. von insgesamt 2.196 EUR (vgl. Erklärung vom 28.10.2010 zu den Einkünften und Bezügen für 2010, Kindergeldakte Bl. 148). Ergänzend wird auf die Gehaltsabrechnungen Bezug genommen (Kindergeldakte Bl. 154 ff.). Außerdem erzielte sie im Zeitraum von Januar bis Mai 2010 neben Wohngeldzahlungen i.H. von insgesamt 60 EUR Honorareinnahmen aus einer selbständigen Tätigkeit als Übersetzerin i.H. von insgesamt 1.357 EUR (vgl. Erklärung vom 28.10.2010 zu den Einkünften und Bezügen für 2010, Kindergeldakte Bl. 148). Auf die beigefügten Rechnungen sowie den Wohngeldbescheid der Stadt … vom 03.03.2010 wird Bezug genommen (Kindergeldakte Bl. 157-164, 151).
Der Kläger begehrt die Aufhebung des Aufhebungsbescheids vom 02.08.2010 und die Bewilligung von Kindergeld für den Zeitraum November 2009 bis einschließlich März 2010 i.H. von insgesamt 880 EUR (vgl. Klageschrift vom 02.03.2011, Klageanträge zu 1. und 2.). Er meint, die Ausbildung seiner Tochter sei entgegen der Auffassung der Beklagten nicht bereits mit Einreichung der Diplomarbeit beim Prüfungsamt beendet gewesen, sondern erst mit Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses im Mai 2010: Seine Tochter sei frühestens am 10.05.2010 durch E-Mail der Dozentin ...