Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterbrechung der Zahlungsverjährung einer Haftungsforderung durch eine bereits vor Beginn der Zahlungsverjährung der Haftungsforderung im Rahmen eines Arrestverfahrens vorgenommene Sachpfändung

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Zahlungsverjährung eines Abgabenanspruchs (hier: Haftungsbescheid) kann auch dann durch eine Pfändung gemäß § 231 AO unterbrochen werden, wenn die Pfändung bereits vor Beginn der Zahlungsverjährung (§ 229 Abs. 1 Satz 1 AO) vorgenommen worden ist.

 

Normenkette

AO § 231 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, § 228 S. 2, § 229 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.08.2022; Aktenzeichen VII R 46/20)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Abrechnungsbescheides.

Der Kläger war im Jahr 1998 für Umsatzsteuerverbindlichkeiten 1996 der X. in Höhe von … DM in Haftung genommen worden. Ausweislich des Leistungsgebotes war die Haftungsschuld einen Monat nach Bekanntgabe des Haftungsbescheides fällig (Haftungsbescheid vom 24. Juni 1998 – Blatt 399 ff der Vollstreckungsakten Band III).

Bereits mit Verwaltungsakt vom 28. August 1996 war der dingliche Arrest wegen Umsatzsteuer 1995 bis 1996 in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers angeordnet worden (Blatt 3 f der Vollstreckungsakten Band 1). Auf ein Vollstreckungsersuchen im Rahmen dieses Arrestverfahrens des Finanzamtes Y. vom 10. Oktober 1996 zwecks Beitreibung von Umsatzsteuerforderungen in Höhe von insgesamt … DM hat das Finanzamt Q. am 30. August 1996 in der Wohnung des Klägers … in Z. eine Armbanduhr Rolex zum Schätzwert von … DM und ein Herrenarmband Gold zum Schätzwert von … DM gepfändet. Der Kläger war hierbei anwesend bzw. wurde ausweislich einer Aktennotiz noch während der Vollstreckung durch die Polizei Q. verhaftet (Blatt 31 ff der Vollstreckungsakten Band 1). Das Herrenarmband wurde am 12. März 1998 zum Meistgebot von … DM versteigert (Blatt 45 ff der Vollstreckungsakten Band 2). Die Pfändung der Rolex wurde auf die Klage der Sicherungseigentümerin durch Urteil des Landgerichts W. vom 04. Juni 1999 für unzulässig erklärt (Blatt 128 ff der Vollstreckungsakten Band 2).

Am 20. April 2017 erließ der Beklagte den streitgegenständlichen Abrechnungsbescheid, in dem offene Forderungen aus dem Haftungsbescheid in Höhe von … EUR zuzüglich Säumniszuschlägen in Höhe von … EUR ausgewiesen sind (Blatt 1 ff der Rechtsbehelfsakte). Der gegen diesen Bescheid gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 25. Mai 2018 – Blatt 18 der Rechtsbehelfsakte).

Der Kläger macht geltend, der Anspruch aus dem Haftungsbescheid sei seit dem 31. Dezember 2003 verjährt. Der Kläger weist darauf hin, daß eine Arrestanordnung und eine Sachpfändung noch vor Fälligkeit des Haftungsbescheides am 24. Juni 1998 / 27. Juli 1998 erfolgt seien. Danach sei weder eine Aussetzung der Vollziehung erfolgt noch weitere Zahlungsaufforderungen ergangen. Am 12. September 1998 sei ein Armband versteigert worden. Die Pfändung einer Uhr sei am 06. Juli 1999 aufgehoben worden. Schließlich seien am 14. Juli 2004 15. Oktober 2009 und am 14. Februar 2014 Vollstreckungsversuche erfolgt.

Die Verjährung des Haftungsbetrages ergebe sich aus § 231 der Abgabenordnung 1977 (AO). Danach sei die Verjährung der am 27. Juli 1998 fälligen Haftungsschuld nach 5 Jahren eingetreten, also am 31. Dezember 2003 soweit keine Unterbrechung erfolgt sei.

Die bereits vor Fälligkeit der Haftungsschuld vorgenommenen Vollstreckungsmaßnahmen könnten schon begrifflich keine Verjährungsfrist unterbrechen, da diese erst ab Fälligkeit laufen würden. Allenfalls könne der Fortbestand der Pfändung bei Übergang des Arrestverfahrens in das Vollstreckungsverfahren zu einer Unterbrechung der Verjährung führen – allerdings nur in der Höhe der dem Finanzamt eingereichten Sicherheit (Bundesfinanzhof – BFH – Urteil vom 09. Oktober 2002, V R 29/01). Im Streitfall habe die Verjährungsfrist demnach allenfalls in Höhe des Wertes der gepfändeten Uhr (… EUR) im Jahr 1999 begonnen und am 31. Dezember 2004 geendet. Der Restbetrag sei verjährt.

Tatsächlich sei jedoch die Verjährung am 31. Dezember 2003 eingetreten, weil die Pfändung der Uhr durch das Finanzamt Q. durch die Eigentümerin der Uhr erfolgreich angefochten worden, sich die Pfändung auf Tilgung von Einkommensteuerschulden bezogen habe. Der Kläger habe zwar von der Pfändung, nicht jedoch von dem Fortgang des weiteren Verfahrens Kenntnis gehabt.

Schließlich sei dem Kläger bekannt, daß sich die Haftungssumme durch Zahlungen anderer Haftungsschuldner erheblich reduziert habe, so daß die Haftungsschuld dementsprechend zu berichtigen und die Säumniszuschläge neu zu berechnen seien. Dies sei durch den Abrechnungsbescheid zu entscheiden.

Der Kläger erklärt, die Klage beruhe im Wesentlichen auf zwei Kernsätzen:

Eine Pfändungsmaßnahme vor Fälligkeit der Steuerschuld könne die Verjährung nicht unterbrechen, da die Verjährungsfrist noch nicht zu laufen bego...

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