Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschränkung der Vertreterhaftung für Lohnsteuer. Haftung nach § 69 AO 1977 bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer. Haftungsbescheid 6. August 2001
Leitsatz (redaktionell)
1. Zahlt ein GmbH-Geschäftsführer in Kenntnis der für den Vormonat entstandenen, noch nicht abgeführten Lohnsteuer die Löhne für den laufenden Monat in vollem Umfang aus, handelt er vorsätzlich seiner Verpflichtung zuwider und haftet insoweit nach § 69 AO 1977 unbeschränkt.
2. Der Geschäftsführer einer GmbH, der bei für die Lohnsteuer nicht ausreichenden Zahlungsmitteln die Löhne ungekürzt auszahlt, trägt die objektive Beweislast dafür, dass ihm außer den in voller Höhe ausgezahlten Nettolöhnen keine sonstigen Zahlungsmittel zur Verfügung standen, wenn er bei einem längerem Haftungszeitraum für die letzten Lohnsteueranmeldungszeiträume eine Beschränkung der Haftung auf die Lohnsteuerbeträge, die er bei der gebotenen Kürzung der Nettolöhne an das FA hätte abführen können, erreichen will.
3. Die bei einer Verteilung der Geschäfte auf mehrere Geschäftsführer in Betracht kommende Haftungsbegrenzung nach § 69 AO 1977 erfordert eine vorweg getroffene, eindeutige, schriftliche Klarstellung, welcher Geschäftsführer für welchen Bereich zuständig ist.
Normenkette
AO 1977 §§ 69, 34, 191 Abs. 1; EStG § 41a
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites fallen dem Kläger zur Last.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Haftung des Klägers für Steuerrückstände der T. (nachfolgend kurz GmbH).
Die GmbH wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 20. Dezember 1993, geändert am 11. März 1994 gegründet. Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister erfolgte am 29. Juni 1994. Zu Geschäftsführern waren der Kläger sowie Herr J. L. bestellt. In einem Schreiben des damaligen Rechtsanwaltes des Klägers vom 2. Oktober 1995 an den jetzigen Prozessbevollmächtigten führt dieser aus, dass der Kläger mit Erklärung vom 3. Juli 1995 als Geschäftsführer der GmbH ausgeschieden sei. Die erforderliche Eintragung in das Handelsregister sei am 21. Juli 1995 erfolgt. Die notarielle Erklärung liege bei.
Am 2. November 1994 hatte der Beklagte wegen Steuerrückständen in Höhe von DM 53.111,71 im Wege einer Pfändungs- und Einziehungsverfügung auf das Konto der Gesellschaft bei der S.-Bank zugegriffen. Aufgrund einer Vorsprache des Herrn L. am 9. November 1994 kam es zur Aussetzung der Vollziehung der Bankpfändung bis zum 15. Dezember 1994. Tags darauf ging beim Beklagten ein Schreiben der Gesellschaft ein, wonach Forderungsabtretungen an den Beklagten zur Begleichung der rückständigen Steuerschulden erfolgen sollten. Die Lohnsteueranmeldungen erfolgten bis einschließlich Dezember 1994.
Der Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens über das Vermögen der GmbH vom 30. Dezember 1994 wurde mit Beschluss vom 20. März 1995 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse abgelehnt.
Mit Bescheid vom 21. Juni 1995 nahm der Beklagte den Kläger wegen rückständiger Lohn- und Lohnkirchensteuer einschließlich Säumnis- und Verspätungszuschlägen für die Monate April 1994 bis Dezember 1994 in Höhe von insgesamt DM 59.464,70 gemäss § 69 AO in Haftung. Einen Hinweis darauf, dass zugleich auch der weitere Geschäftsführer L. in Haftung genommen wurde, enthielt der Haftungsbescheid nicht. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seinem Einspruch vom 5. Juli 1995.
Bereits am 3. Juli 1995 hatte Herr L. beim Beklagten vorgesprochen und sich bereit erklärt, die Schulden der Gesellschaft zu bezahlen. Außerdem kündigte er die Vorlage einer berichtigten Lohnsteueranmeldung für den Monat Dezember 1994 an, da ab diesem Monat kein Lohn mehr gezahlt worden sei. Die geänderte Lohnsteueranmeldung ging am 17. August 1995 beim Beklagten ein. Mit Schreiben vom 21. Dezember 1995 beantragte er weiterhin, die Schulden in monatlichen Raten von DM 300,00 tilgen zu können. Im weiteren Verlauf kam es zur Gewährung eines Vollstreckungsaufschubes und zum Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung. (Bl. 56 Bußgeldakte Lindemann)
Auf den Hinweis des Prozessbevollmächtigten des Klägers, es sei ein weiterer Geschäftsführer vorhanden gewesen, teilte der Beklagte mit Schreiben vom 10. Oktober 1995 mit, dass dies bekannt sei. Grundsätzlich treffe bei mehreren Geschäftsführern jeden von ihnen die Verantwortung auch für steuerliche Pflichten.
Den Einspruch des Klägers gegen den Haftungsbescheid wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 28. Januar 1997 als unbegründet zurück. Die hiergegen gerichtete Klage begründete der Kläger im wesentlichen damit, dass er innerhalb der Gesellschaft nur für die Baubetreuung, den Bauablauf sowie die Arbeitskoordinierung auf den Baustellen zuständig gewesen sei. Seit April 1994 sei er selbst nur noch auf dem Bau tätig gewesen und habe daher keinerlei Kenntnisse darüber gehabt, ob Lohnsteuer angemeldet oder abgeführt worden sei. Demgegenüber sei Herr L. für den kaufmännischen Bereich verantwortlich gewesen. Zwar ergebe sich diese Aufgabenvert...