Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Vorsteuerabzug aus einer Rechnung bei Nichterreichbarkeit des Rechnungsausstellers unter der in der Rechnung angegebenen Adresse. keine steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung von Edelmetallen an eine zypriotische Limited bei unterbliebenem Nachweis der Bevollmächtigung der für die Limited aufgetretenen Personen
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach neuerer Rspr. des BFH im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 15.11.2017 (C-374/16 und C-375/16) sind § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass der Vorsteuerabzug nicht den Besitz einer Rechnung mit der Anschrift des leistenden Unternehmers voraussetzt, unter der er seine wirtschaftlichen Tätigkeiten ausübt. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift einschließlich einer Briefkastenanschrift aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist, insbesondere postalisch (vgl. BFH, Urteile v. 13.6.2018, XI R 20/14; v. 21.6.2018, V R 25/15 und V R 28/16); insoweit genügt eine nur telefonische Erreichbarkeit nicht (Ausführungen zu den für die Erreichbarkeit maßgeblichen Kriterien).
2. Kommt der Unternehmer den Nachweispflichten für die Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung nicht oder nur unvollständig nach, erweisen sich die Nachweisangaben bei einer Überprüfung als unzutreffend oder bestehen zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, die der Unternehmer nicht ausräumt, ist von der Steuerpflicht der Lieferung auszugehen, z. B. wenn nicht feststeht, dass die Lieferung gem. § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 UStG an einen zur Erwerbsbesteuerung verpflichteten Unternehmer erfolgt ist (im Streitfall: Lieferung an eine nicht durch ihre legitimierten Organe, sondern durch Personen vertretene zypriotische Limited, deren Bevollmächtigung für die Limited nicht nachgewiesen worden ist).
3. Der Buchnachweis ist widerlegt, wenn nicht feststeht, dass die als Abnehmer aufgezeichnete Ltd. tatsächlich Abnehmer der Lieferung war, weil eine Vollmacht der in ihrem Namen aufgetretenen Personen nicht nachgewiesen ist. Folglich kann die buchmäßige aufgezeichnete Angabe des (vermeintlichen) Abnehmers und dessen Umsatzsteuer-Identifikationsnummer die Abnehmereigenschaft nicht bezeugen, weshalb die Beweiskraft dieser buchmäßigen Aufzeichnung entfällt (vgl. BFH, Urteil v. 10.8.2016, V R 45/15, BStBl 2018 II S. 501) und es nicht zu einer Inanspruchnahme der Steuerfreiheit auf formeller Beweisgrundlage kommt.
4. Die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes nach § 6a Abs. 4 UStG sind im Ergebnis einer Gesamtwürdigung aller Umstände nicht erfüllt, wenn es um den Verkauf hochwertiger Wirtschaftsgüter (Edelmetalle) mit einem erheblichen Umsatzvolumen (insgesamt mehr als 470.000 EUR) ging, es sich darüber hinaus bei der zypriotischen Limited als vermeintlicher Vertragspartnerin um ein Unternehmen handelte, zu dem die Klägerin zuvor noch keine Geschäftsbeziehung unterhalten hatte, und wenn die Klägerin gleichwohl nicht überprüft hat, ob die im Namen der Ltd. aufgetretenen Personen über eine Vollmacht verfügten.
Normenkette
UStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, Nr. 3, Abs. 3-4; UStDV § 17a ff., § 17c Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die während des Klageverfahrens durch formwechselnde Umwandlung der bisherigen Klägerin, der Fa. … GmbH (im Folgenden: GmbH, Klägerin), entstanden ist. Gegenstand der Klägerin und der Rechtsvorgängerin ist der Handel mit Edelmetallen.
Die Klägerin wendet sich gegen die mit Einspruchsentscheidung vom 14.05.2014 bestätigten Umsatzsteuerbescheide 2011 und 2012 vom 05.05.2014, im gerichtlichen Verfahren geändert zuletzt mit Bescheiden vom 24.03.2015 (Bl. 102, 104 der Verfahrensakte 4 K 854/14, künftig Bl. 102, 104 dA), welche die im Einspruchsverfahren zunächst streitbefangenen, geänderten Umsatzsteuer-Voranmeldungsbescheide für November 2011 bis April 2012 abgelöst haben. Die Beteiligten streiten über die Inanspruchnahme des Vorsteuerabzugs in den Voranmeldungszeiträumen November 2011 bis April 2012 aus Edelmetall-Lieferungen des Einzelunternehmens C. sowie über die Rechtmäßigkeit der Versagung der Steuerfreiheit als innergemeinschaftliche Lieferung im Zusammenhang mit einer Edelmetall-Lieferung der Klägerin an die K. Ltd. im Voranmeldungszeitraum Januar 2012.
Die ursprünglich verfahrensgegenständlichen geänderten Vorauszahlungsbescheide beruhen auf den Feststellungen einer bei der GmbH stattgefundenen Umsatzsteuer-Sonderprüfung. Auf den mehrfach geänderten Prüfungsbericht wird Bezug genommen (ursprünglicher Bericht vom 01.06.2012, geänderte Berichte vom 15.06.2012, 16.10.2012, zuletzt vom 22.01.2013, vgl. Bp-Handakte Bl. 121, 139, 172, 148; vgl. auch Rechtsbehelfsakte Bl. 5 ff.).
Vorsteuerabzug aus Rechnungen des C.
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