Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Beurteilung des Fortbestands der Vorsteuerabzugsberechtigung ist allein auf die im Zeitpunkt der Lieferung oder sonstigen Leistung gegebenen Zweckbestimmung der Eingangsumsätze und die Gutgläubigkeit der diesbezüglichen Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen abzustellen. Umsatzsteuer 1990 bis 1993

 

Leitsatz (amtlich)

Nimmt ein Steuerpflichtiger für die Eingangsumsätze im Zusammenhang mit grundstückbezogenen Lieferungen und Leistungen im Hinblick auf die schlüssig dargelegte, durch äußere Umstände belegt Absicht, auf die Steuerfreiheit für die Ausgangsumsätze zu verzichten, den Vorsteuerabzug in Anspruch, so bleibt die einmal gegebene Anspruchsberechtigung auch dann erhalten, wenn es zu den beabsichtigten vorsteuerunschädlichen Verwendungsumsätzen tatsächlich nicht kommt.

Hiervon unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit zur Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG i.V.m. Art. 20 USt-RL.

 

Normenkette

UStG § 15 Abs. 1 Nr. 1; UstG § 15 Abs. 2 Nr. 1; USt-RL Art. 17; UStG § 15a; USt-RL Art. 20; UStG § 4 Nr. 9a, § 9 Abs. 1

 

Tenor

1. Die Umsatzsteuerbescheide 1990 bis 1993 vom 18.12.1996 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19.03.1998 werden dahingehend geändert, dass die Umsatzsteuer wie folgt festgesetzt wird:

1990: -473,76 DM,

1991: -59.883,30 DM,

1992: -45.009,80 DM und

1993: -4.566,52 DM.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Finanzamt bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung abzuwenden, wenn nicht die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für den Vorsteuerabzug die Absicht ausreicht, mit den zum Vorsteuerabzug gestellten Leistungsbezügen eine Tätigkeit aufzunehmen, die zu nichtabzugsschädlichen Umsätzen führt, wenn später tatsächlich abzugsschädliche Umsätze ausgeführt werden.

Die Klägerin wurde am 28.06.1990 gegründet. Gegenstand der Gesellschaft war laut § 2 des Gesellschaftsvertrages der Kauf, Verkauf und die An- und Verpachtung von Grundstücken, Gebäuden und Einrichtungen, die dem Gemeinwohl der Gemeinde F. dienlich sind, sowie alle Maßnahmen die diesem Zwecke dienlich sind. Nach den Feststellungen der Umsatzsteuersonderprüfung (Prüfungsbericht vom 05.11.1996) wurde die Klägerin mit der Absicht gegründet, in F. ein Gewerbegebiet zu errichten. Zu diesem Zweck erwarb die Klägerin Flurstücke mit einer Gesamtgröße von 108.651 m², die erschlossen, parzelliert und alsdann veräußert werden sollten. In den Streitjahren 1990 bis 1993 fanden allerdings keine Verkäufe statt. Auch der Lagebericht der Gesellschaft zum Jahresabschluß auf den 31.12.1994 führt noch aus, dass „das in 1991 begonnene Projekt” nicht zum Abschluss gebracht werden konnte. Die Gewinn- und Verlustrechnung des Jahres 1994 weist erstmals Umsatzerlöse aus. Nach den Erläuterungen zur Gewinn- und Verlustrechnung handelt es sich um die Abrechnung von anteiligen Aufwendungen für die Erstellung des Bebauungsplans des projektierten Gewerbegebiets.

Seit 1990 machte die Klägerin in Ihren Umsatzsteuerjahreserklärungen und Umsatzsteuervoranmeldungen abziehbare Vorsteuern geltend. In den Jahren 1990, 1991 und 1992 erklärte sie bei fehlenden Umsätzen abziehbare Vorsteuerbeträge in Höhe von 473,76 DM, 59.883,30 DM und 45.009,80 DM. Der Beklagte stimmte den Erklärungen jeweils zu. Für 1993 wurde keine Jahreserklärung abgegeben; allerdings wurden Umsätze in Höhe von 0,– DM und abziehbare Vorsteuern in Höhe von 9.664,70 DM vorangemeldet. Auf der Grundlage dieser Voranmeldungen schätzte der Beklagte die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Umsatzsteuer 1993 unter Zugrundelegung von Umsätzen in Höhe von 0,– DM sowie abziehbaren Vorsteuern von 9.000,– DM auf -9.000,– DM fest.

Im Rahmen der vom 10.09.1996 bis 23.09.1996 bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin die erworbenen Grundstücke 1995 und 1996 wieder veräußert hatte. Mitte 1995 waren insgesamt 5.000 m2 (= 4,6 %) unter Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung an das Autohaus H. verkauft worden. Die weiteren Verkäufe waren gemäß § 4 Nr. 9 a UStG umsatzsteuerfrei erfolgt: 14.000 m² hatte die M. KG, die verbleibenden 89.651 m² hatten die Gemeinden Fl. und F. erworben; letztere ist die Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin.

Die umsatzsteuerfreien Verkäufe fanden sämtlich nicht mehr durch den ursprünglichen Geschäftsführer der Klägerin, Herrn S., sondern durch den Liquidator Herrn K. statt.

In Auswertung des Prüfungsergebnisses versagte der Beklagte 95,4 % der Vorsteuern, da die tatsächliche erstmalige Verwendung der bezogenen Leistungen in diesem Umfang zur Ausführung abzugsschädlicher steuerfreier Umsätze erfolgt sei. Mit Bescheiden vom 18.12.1996 wurde die Umsatzsteuer der Jahre 1990 bis 1993 auf -22,– DM, -2.755,– DM, -2.071,– DM und -414,– festgesetzt.

Im Rahmen der Umsatzsteuersonderprüfung wurde dem Prüfer auch ein Jahresabschluss für das Streitjahr 1993 vorgelegt, der jedoch in den Pr...

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