rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb der Verwertungsbefugnis an einem Grundstück. Treuhandverhältnis. Auftragskette. Bemessung der Grunderwerbsteuer nach den Aufwendungen des Erwerbers
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG liegen u. a. dann vor, wenn bei einem Treuhandverhältnis dem Treuhänder im Verhältnis zum Treugeber die Rechtsmacht, über das Grundstück zu verfügen, fehlt.
2. Der Besteuerung des Erwerbs der Verwertungsbefugnis durch den Treugeber gem. § 1 Abs. 2 GrEStG steht es nicht entgegen, dass daneben bereits der Grundstückskauf durch den Treuhänder nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfasst wird, so dass die Grunderwerbsteuer doppelt mit unterschiedlichen Steuerschuldnern anfällt. Diese „doppelte” Besteuerung verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, sondern entspricht dem System der Grunderwerbsteuer als Rechtsverkehrsteuer beim Wechsel zwischen verschiedenen Rechtsträgern.
3. Erwirbt eine GmbH als Treuhänderin einer unselbstständigen Stiftung eine Verwertungsbefugnis, so ist sie auch dann Steuerschuldnerin nach § 13 GrEStG, wenn in dem betroffenen Vertrag über den Erwerb (hier: Treuhandvertrag) das Treuhandverhältnis gegenüber der Stiftung offengelegt wird.
4. Beim Erwerb der Verwertungsbefugnis nach § 1 Abs. 2 GrEStG richtet sich die Bemessungsgrundlage nicht nach dem tatsächlichen Wert des Grundstücks, sondern gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung. Dazu gehören beim Auftragserwerb der Kaufpreis und alle sonstigen Aufwendungen i. S. v. § 670 BGB, die dem Auftragnehmer entstehen, um das Grundstück zu erwerben.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, § 8 Abs. 1, § 13; BGB § 670; GG Art. 3 Abs. 1
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Tatbestand
Die Klägerin, deren Geschäftsführer und Alleingesellschafter bis Ende 2006 W war, ist Träger und Treuhänder der unselbständigen „Stiftung U”.
Im Versteigerungstermin vom 13. April 1999 gab W in eigenem Namen ein Meistgebot in Höhe von 25.500.000,– DM betreffend das unter Zwangsverwaltung stehende Grundstück X-straße in Y ab. Nachfolgend erwarb er per Zuschlag am 2. Juni 1999 das Grundstück zu diesem Preis (die Entscheidung über den Zuschlag war auf Antrag der Bank und des Erwerbers bis dahin augesetzt worden). Zuvor hatten W und die veräußernde Bank am 31. Mai 1999 einen notariellen „Vertrag über den Erwerb und die Entwicklung” des Grundstücks in Y abgeschlossen, der u.a. Vereinbarungen über die Finanzierung und eine Rückerwerbspflicht der Bank bei einem entsprechenden Verlangen des Erwerbers (=W) enthält (Blatt 39 ff der FG-Akte).
Daneben schloss W als Treuhänder mit der Klägerin als Treugeberin unter dem Datum 28. April 1999 einen schriftlichen (nicht notariell beurkundeten) Treuhandvertrag, wonach der Treuhänder beauftragt wurde, das Grundstück in eigenem Namen für Rechnung des Treugebers zu erwerben, halten und verwalten (§ 1 des Treuhandvertrags, Blatt 3 ff der Grunderwerbesteuerakte). Der Auftrag war erst auszuführen, wenn die entsprechenden Vereinbarungen mit der veräußernden Bank getroffen waren (§ 1 Nr. 2, § 3 des Treuhandvertrags). Der im Außenverhältnis auftretende, im Innenverhältnis aber weisungsgebundene W sollte ausschließlich im Auftrag und für Rechnung der Klägerin tätig werden, so dass die Stellung der Klägerin „wirtschaftlich der eines Eigentümers dieses Grundstücks” entspreche (§ 2 Nr. 2 des Treuhandvertrags). Gemäß § 5 des Treuhandvertrags hatte W einen Anspruch gegen die Klägerin auf Freistellung von sämtlichen Verbindlichkeiten, die im Zusammenhang mit dem Erwerb und der Verwaltung des treuhänderisch übernommenen Eigentums stehen.
Die Klägerin war beim Vertragsschluss ihrerseits als Treuhänderin der nicht rechtsfähigen Stiftung U tätig. Laut Präambel des Treuhandvertrags vom 28. April 1999 wollte sie das Grundstück „für das Stiftungsvermögen U erwerben”. Die gesamten Anschaffungskosten des Objekts wurden in der Vermögensaufstellung der Stiftung U zum 2. Juni 1999 aktiviert; nach Auskunft des Finanzamts Z für Körperschaften wurde das Grundstück dem Stiftungsvermögen des Treugebers zugerechnet.
Der Beklagte (das Finanzamt) setzte mit Bescheid vom 1. September 2006 für den Erwerb der Verwertungsbefugnis durch Treuhandvertrag vom 28. April 1999 nach § 1 Abs. 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die Grunderwerbsteuer auf 472.299,23 EUR (= 927.737,– DM) gegenüber der Klägerin fest. Das hiergegen durchgeführte Einspruchsverfahren blieb ohne Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 15. September 2008).
Mit ihrer Klage macht die Klägerin geltend, dass sie die falsche (Inhalts-)Adressatin des Grunderwerbesteuerbescheides sei. Sie könne nach dem Inhalt des der Besteuerung zu Grunde gelegten Treuhandvertrags nicht Steuerschuldnerin sein, da Treugeber die nicht rechtsfähige Stiftung U gewesen sei, für die sie als Treuhänderin gehandelt habe. Die Stiftung U sei eine steuerrechtsfähige Körperschaft bzw. Vermögensmasse, die beim Finanzamt als Steu...