rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Regelsteuersatz: an Bedürfnisse von Kindern angepasste, aus mehreren Kompententen bestehende Warmspeisen keine „Standardspeisen”. verbindliche Auskunft bei Verwirklichung eines anderen Sachverhalts nicht verbindlich
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Abgabe von fertig zubereiteten Speisen ist nur dann eine dem ermäßigten Steuersatz unterliegende Lieferung und keine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung, wenn es sich um „Standardspeisen” als Ergebnis einfacher und standardisierter Zubereitungsvorgänge nach Art eines Imbissstandes handelt. Handelt es sich um eine qualitativ höherwertige Speise als eine Standardzubereitung, liegt auch ohne zusätzliche Dienstleistungselemente eine dem Regelsteuersatz unterliegende sonstige Leistung vor (Anschluss an EuGH- und BFH-Rechtsprechung).
2. Hat ein Unternehmer eine eigene Verpflichtung zur Essensbereitstellung in Schulen und Kindertagesstätten entsprechend der Bestellungen der Kunden übernommen, muss er sich die von einem anderen Unternehmen eingekauften Speisezubereitungshandlungen zurechnen lassen. Ob er alle Bestandteile der von ihm geschuldeten Leistung selbst erbringt oder aber teilweise durch andere Unternehmer ausführen lässt, ist für die Beurteilung des Umsatzes des Unternehmers als Lieferung oder als sonstige Leistung ohne Bedeutung.
3. An Schulen und KITAs verkaufte Warmspeisen sind keine „Standardspeisen”, wenn sie aus mehreren Komponenten bestehen, die gesondert zubereitet werden müssen oder deren Verwendung zumindest gesondert unter Berücksichtigung ernährungsphysiologischer Bedürfnisse von Kindern als primärer Essensteilnehmer vorbereitet werden muss, wenn die Komponenten zudem geschmacklich und in ihrer Zusammensetzung aufeinander abgestimmt werden müssen und wenn es sich um eine Vielzahl verschiedener Gerichte handelt.
4. Eine verbindliche Auskunft des FA entfaltet keine Bindungswirkung, wenn der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt mit dem bei der Beantragung der verbindlichen Auskunft vorgetragenen Sachverhalt nicht in allen wesentlichen Punkten übereinstimmt.
Normenkette
UStG 2005 § 12 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1, § 3 Abs. 9; EWGRL 388/77 Art. 5 Abs. 1; AO § 204
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 27.02.2014; Aktenzeichen V R 37/13) |
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob Leistungen der Klägerin in den Jahren 2005 und 2006 dem ermäßigten Mehrwertsteuersatz unterliegen.
Die Klägerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom […] April 2005 unter der Firmierung X GmbH gegründet und am […] Mai 2005 in das Handelsregister des Amtsgerichts A eingetragen. Sitz der Gesellschaft war in den Streitjahren A. Laut Gesellschaftsvertrag übernahm vom Stammkapitel (EUR 25.000) Frau B EUR 22.500 und Frau C EUR 2.500. Frau B und Frau C wurden zu einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführern bestellt. Im Januar 2009 wurde der Sitz der Klägerin nach D verlegt.
Mit Schreiben vom 19. November 2004 hatte Frau C, wohnhaft in A, an das Finanzamt A durch ihren Steuerberater einen „Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Auskunft im Sinne des BMF-Schreibens vom 29. Dezember 2003 bezüglich der Einrichtung eines Geschäftsbetriebes zur Lieferung von Speisen und deren umsatzsteuerliche Behandlung” gestellt. Sie teilte darin mit, dass sie die Einrichtung eines neuen Geschäftsbetriebs beabsichtige. In diesem sollten frisch zubereitete Speisen von verschiedenen Herstellern bezogen und an Endverbraucher geliefert werden. Endverbraucher in diesem Sinne seien Einrichtungen wie größere Betriebe, Institutionen, Altenheime, Kantinen, Kindertagesstätten oder Schulen. Den jeweiligen Endabnehmern sollte es selbst überlassen bleiben, ob gegebenenfalls erforderliche sonstige Leistungen – wie Portionieren, Geschirr und sonstiges Inventar zur Verfügung stellen und reinigen etc. – durch fremde Dritte oder in Eigenleistung erfolgen soll. Diese sonstigen Leistungen sollten jedoch in keiner Weise durch die Antragstellerin durchgeführt werden. Die Abrechnung der Lieferungen, das Inkasso der Rechnungsbeträge sowie die buchhalterische Erfassung aller Geschäftsvorfälle sollten durch einen fremden Dienstleister erfolgen.
Ungeklärt seien im dargestellten Sachverhalt folgende Fragen:
- „Liegt in der Lieferung von vorportionierten, in Assietten oder mehrwegfähigen Systemen unterschiedlicher Größe und Art verpackten und frisch zubereiteten Speisen eine begünstigte Lieferung im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG vor?
- Lässt ein mögliches Zusammenwirken mit weiteren fremden Dienstleistern den Schluss zu, dass aufgrund eines sich ergänzenden Leistungsangebots der verschiedenen Geschäftsbetriebe eine zusammenhängende, also quasi einheitliche Leistung angeboten wird und somit von einer nicht begünstigen Restaurationsleistung auszugehen ist?”
Zum eigenen Rechtsstandpunkt führte die Antragstellerin unter anderem aus, dass sowohl bei der Vornahme von sonstigen Leistungen durc...