Leitsatz
Erlässt der einzige gesellschaftsfremde Gläubiger einer sanierungsbedürftigen und sanierungsgeeigneten Besitzpersonengesellschaft einen Teil ihrer Schulden, so ist davon auszugehen, dass er in Sanierungsabsicht handelt, wenn zugleich eine Gesellschafterin auf den ihr gegenüber der Gesellschaft zustehenden Rentenanspruch verzichtet und der Hauptlieferant der Betriebsgesellschaft an diese einen nicht rückzahlbaren Zuschuss leistet.
Normenkette
§ 3 Nr. 66 EStG a.F.
Sachverhalt
Die klagende Gesellschaft war eine KG, die die Funktion einer Besitzgesellschaft im Rahmen einer Betriebsaufspaltung ausübte. Das operative Geschäft wurde von einer Betriebs-GmbH wahrgenommen. Die KG war in so große wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, dass die Hausbank mit der Kündigung der Kredite drohte. Die Gesellschafter konnten schließlich eine andere Bank zur übernahme des Engagements überreden. Diese Bank verlangte dafür aber, dass die bisherige Hausbank auf einen Teil ihrer Kredite und eine Gesellschafterin auf ihre Pensionsansprüche verzichten sollten. Außerdem sollte sich auch der Hauptlieferant der Betriebsgesellschaft mit einem verlorenen Zuschuss beteiligen.
Diese Bedingungen wurden Ende 1986 dadurch erfüllt, dass die bisherige Hausbank ca. 157?000 DM erließ, der Hauptlieferant einen Zuschuss an die Betriebs-GmbH von 150?000 DM leistete und die Gesellschafterin unter Verzicht auf ihre Pensionsansprüche aus der KG ausschied.
Entgegen der Auffassung der Klägerin war das FA der Meinung, der Verzicht der Hausbank stelle keinen steuerfreien Sanierungsgewinn dar. Das FG stimmte dem FA zu.
Entscheidung
Die Entscheidung Anders sah es der BFH und gab der Revision statt. Allerdings hatte die Klägerin ihren Antrag nicht richtig – nämlich zu niedrig – berechnet, so dass im Ergebnis doch ein Teilbetrag des Gewinns besteuert wurde.
Hinweis
1. Noch müssen sich die Gerichte mit Streitfällen zu dem früheren § 3 Nr. 66 EStG beschäftigen, der Sanierungsgewinne für steuerfrei erklärte. Dies gilt aber nicht mehr für Gewinne in nach dem 1.1.1998 ablaufenden Wirtschaftsjahren. Der alte § 3 Nr. 66 EStG ist seitdem ersatzlos weggefallen. Trotzdem lohnt sich auch heute noch für den Praktiker eine Beschäftigung mit der früheren Regelung. Denn heute wird man mit denselben Argumenten, die seinerzeit für die Steuerfreiheit herangezogen wurden, ggf. einen Erlass aus Billigkeitsgründen beantragen müssen. Das allerdings wird erst nach Durchführung der Sanierung bzw. eines Sanierungsversuchs in Betracht kommen. Manche Sanierung wird wohl schon im Vorfeld scheitern, wenn ein Gläubiger nicht einsieht, dass ein bedeutender Teil seines Sanierungsbeitrags gleich an den Fiskus abzuführen ist.
2. Der BFH hat § 3 Nr. 66 EStG a.F. dahin ausgelegt, dass Sanierungsbedürftigkeit, Sanierungseignung und Sanierungsabsicht vorliegen müssen. Diese Tatbestandsmerkmale werden heutzutage auch in einem Billigkeitsverfahren eine Rolle spielen.
a) Sanierungsbedürftigkeit eines Unternehmens ist gegeben, wenn ohne die Sanierung die für eine erfolgreiche Weiterführung des Betriebs und die Abdeckung der bestehenden Verpflichtungen erforderliche Betriebssubstanz nicht erhalten werden könnte.
b) Sanierungseignung liegt vor, wenn das Unternehmen im Zeitpunkt des Erlasses als lebensfähig angesehen werden kann.
c) Sanierungsabsicht bedeutet, dass der Schulderlass zu dem Zweck der Sanierung erfolgt. Aus dem Vorliegen von Sanierungsbedürftigkeit und Sanierung kann nach Meinung des BFH in der Regel darauf geschlossen werden, dass eine Schuld zum Zweck der Sanierung erlassen wird.
Dass ein Gläubiger meist nicht aus blanker Menschenfreundlichkeit auf seine Forderung verzichtet, liegt auf der Hand. Mit dem Verzicht wird er weitergehende Forderungen sichern wollen. Dagegen hat der BFH nichts einzuwenden, wenn nur die Sanierung zumindest ein Nebenziel des Gläubigers ist. Davon kann ohne weiteres ausgegangen werden, wenn mehrere Gläubiger zur Sanierung beitragen. Wenn nur ein Gläubiger verzichtet, muss nach anderen Indizien für die Sanierungsabsicht gesucht werden. Ein solches fand der BFH hier in dem Zuschuss an die Betriebsgesellschaft, die ja mit ihrer operativen Tätigkeit so viel Einnahmen erwirtschaften muss, dass das Besitzunternehmen eine angemessene Miete erhalten kann.
Einlagen eines Gesellschafters sind hingegen grundsätzlich kein Indiz für eine Sanierungsabsicht gleichzeitig verzichtender Gläubiger. Anders ist es nur, wenn der Gesellschaft gewinnunabhängige Leistungen an den Gesellschafter erspart werden. Wenn der Gesellschafter nicht gleich wie hier aus der Gesellschaft ausscheidet, kann es sich anbieten, anstelle von festen Vergütungen ein Gewinnvorab für den betreffenden Gesellschafter zu vereinbaren. Die Gesellschaft wird dadurch nicht belastet. Einerseits mindert ein Gewinnvorab nur den allen Gesellschaftern nach dem allgemeinen Schlüssel zustehenden Gewinnanteil. Andererseits kann ein Vorabgewinn nur verlangt werden, soweit tatsächlich Gewinn erzielt worden ist, wenn also mit anderen...