Leitsatz
Eine förderschädliche Auszahlung von Altersvorsorgevermögen liegt aufgrund der gebotenen objektiven Betrachtungsweise vor, wenn der Anbieter Zahlungen entgegen den in § 93 Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Voraussetzungen – wenn auch irrtümlich – vorgenommen hat.
Normenkette
§ 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 92b Abs. 1 Satz 1, Satz 3, § 93 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1, § 94 Abs. 2 Satz 1, § 96 Abs. 2 EStG, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Buchst. c, Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 AltZertG
Sachverhalt
Die Klägerin hatte einen (zertifizierten) Altersvorsorgevertrag bei der Anbieterin A abgeschlossen. Zum Erwerb eines Einfamilienhauses hatte sie ein Darlehen aufgenommen, das 2017 mit etwa 60.000 EUR valutierte. Die Klägerin beantragte 2017 bei der ZfA die Verwendung des im Altersvorsorgevertrag gebildeten Kapitals zur Tilgung des Darlehens. Irrtümlich sandte A anschließend eine Meldung an die ZfA, wonach über das Guthaben des Altersvorsorgevertrages schädlich verfügt worden sei. Die ZfA bestätigte diese Meldung durch eine Mitteilung unter der Bezeichnung "ZA06". A wertete dies als Mitteilung i.S.d. § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG und zahlte noch im Juni 2017 das Guthaben auf das Darlehenskonto der Klägerin bei der Bank, allerdings nach Abführung der Zulagen und eines nach § 10a Abs. 4 EStG festgestellten Betrags.
Den Antrag der Klägerin auf Gestattung der wohnungswirtschaftlichen Verwendung lehnte die ZfA daraufhin ab und erließ gleichzeitig einen Bescheid über die Festsetzung des Rückzahlungsbetrags (§ 94 Abs. 2 Satz 1 EStG). Einspruch und Klage blieben erfolglos (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9.5.2019, 10 K 10073/18, Haufe-Index 14204762, EFG 2019, 1987).
Entscheidung
Die Revision war aus den unter den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen unbegründet.
Hinweis
Wer trägt die Konsequenzen, wenn der Anbieter eines Riestervertrages versehentlich das im Rahmen des Altersvorsorgevertrages gebildete Kapital auszahlt, ohne dass die Voraussetzungen der §§ 92a und 92b EStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 Buchst. c AltZertG erfüllt waren?
Die Antwort des X. Senats ist einfach: Steuerrechtlich ist es der Zulageberechtigte. Denn es ist nicht zu beanstanden, wenn dieser in einem solchen Fall die gewährten Zulagen und die gemäß § 10a Abs. 4 EStG festgestellten Beträge zurückzahlen muss.
1. Gemäß § 92a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann der Zulageberechtigte das in einem Altersvorsorgevertrag gebildete und nach § 10a EStG oder dem XI. Abschnitt des EStG geförderte Kapital in vollem Umfang oder teilweise entnehmen, wenn es bis zum Beginn der Auszahlungsphase unmittelbar für die Anschaffung oder Herstellung einer Wohnung oder zur Tilgung eines zu diesem Zweck aufgenommenen Darlehens verwendet wird, sofern das dafür entnommene Kapital mindestens 3.000 EUR beträgt (sog. Wohnriester).
2. Der Verfahrensablauf wird in § 92b EStG geregelt:
- Der Zulageberechtigte muss die Verwendung des Kapitals (§ 92a Abs. 1 EStG) spätestens zehn Monate vor dem Beginn der Auszahlungsphase bei der ZfA unter Erbringung der notwendigen Nachweise beantragen (§ 92b Abs. 1 Satz 1 EStG).
- Die ZfA teilt ihm dann durch Bescheid und dem Anbieter des Altersvorsorgevertrages nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung mit, bis zu welcher Höhe eine wohnungswirtschaftliche Verwendung i.S.d. § 92a Abs. 1 Satz 1 EStG vorliegen kann (§ 92b Abs. 1 Satz 3 EStG).
- Die Anbieter des Altersvorsorgevertrags dürfen den Altersvorsorge-Eigenheimbetrag erst auszahlen, sobald sie die Mitteilung nach § 92b Abs. 1 Satz 3 EStG erhalten haben (§ 92b Abs. 2 Satz 1 EStG).
Eine förderunschädliche Auszahlung setzt somit zwingend voraus, dass der Anbieter diese Regelungen beachtet. Insoweit ist eine objektive Betrachtung geboten.
3. Werden diese Grundsätze nicht beachtet, liegt in der Auszahlung des Anbieters eine schädliche Verwendung vor. Der Anbieter hat dann gemäß § 94 Abs. 1 Satz 3 EStG den Rückzahlungsbetrag i.S.d. § 93 Abs. 1 Satz 1 a.E. EStG einzubehalten.
4. Eine schädliche Verwendung kann nicht durch eine Rückführung des ausgezahlten Vermögens auf den zertifizierten Altersvorsorgevertrag rückgängig gemacht werden. Eine solche Möglichkeit ist – anders als z.B. in § 16 GrEStG – gesetzlich nicht vorgesehen und kann deshalb die schädliche Verwendung nicht entfallen lassen.
5. Es gibt zwar ausnahmsweise die Möglichkeit, gefördertes Altersvorsorgevermögen innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Veranlagungszeitraums, in dem das Darlehen ausgezahlt wurde, auf einen anderen zertifizierten Altersvorsorgevertrag zu übertragen (§ 93 Abs. 4 Satz 1 EStG). Diese Ausnahmeregelung betrifft aber nur einen einheitlichen Vertrag nach § 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 2 AltZertG, also einen sog. Bausparvertrag mit Darlehensoption, der neben Darlehensverträgen (§ 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 AltZertG) und Bauspar-Kombiverträgen (§ 1 Abs. 1a Satz 1 Nr. 3 AltZertG) existiert.
6. Die schädliche Verwendung des Altersvorsorgevermögens ist auch nicht in anderer Art und Weise korrigierbar. Eine Anwendung der Korrekturvorschriften der AO sch...