Leitsatz
Das Finanzamt ist befugt, die Besteuerungsgrundlagen wegen nichtordnungsgemäßer Buchführung zu schätzen, wenn die festgestellten Lücken Anlass zu berechtigten Zweifeln an der materiellen Richtigkeit der Aufzeichnungen geben. Ist ein Gewerbesteuermessbetrag negativ, fehlt dem Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren gegen den Gewerbesteuermessbescheid die notwendige Beschwer.
Sachverhalt
Die Kläger sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann ist Geschäftsführer einer GmbH und betreibt ein Einzelunternehmen. Die Ehefrau war in den Streitjahren nicht berufstätig und einkünftelos. Eine Betriebsprüfung führte zu bisher nicht erklärten Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit und Kapitalvermögen in beträchtlicher Höhe sowie zu einer Gewinnerhöhung bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb aufgrund nicht aufgeklärter Zahlungseingänge auf einem Privatkonto in bar. Die Einnahmeerhöhungen wurden gleichzeitig als nichtversteuerte Umsätze behandelt und die Umsatzsteuer entsprechend erhöht. Die Gewinnerhöhung führte auch zur Erhöhung der Gewerbeerträge, die Gewerbesteuermessbeträge blieben aber negativ. Das Finanzamt erließ für die beiden Streitjahre geänderte Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuermessbescheide. Im erfolglosen Einspruchsverfahren gegen diese Bescheide legten die Kläger eine eidesstattliche Versicherung der Ehefrau vor, wonach sie ihrem Ehemann Geldbeträge in den Streitjahren zu kalendermäßig bestimmten Tagen in bar übergeben habe. Ein im Ausland ansässiger Rechtsanwalt bestätigte hinsichtlich des Geldbetrages im zweiten Streitjahr, dass er der Ehefrau und einer weiteren Miteigentümerin für den Kauf einer Liegenschaft im Ausland einen entsprechenden Geldbetrag in ausländischer Währung und in bar ausgezahlt habe. Die Ehefrau versicherte, auch vor dem besagten Grundstücksverkauf seien immer wieder Grundstücksverkäufe erfolgt. Diese Behauptung konnte sie aber nicht belegen.
Entscheidung
Das FG München entschied, dass die Klage hinsichtlich der Gewerbesteuermessbescheide unzulässig ist, weil die Gewerbesteuermessbeträge negativ sind und es an einer Beschwer fehlt (§ 40 Abs. 2 FGO). Die Klage war begründet, soweit sie sich gegen die geänderten Umsatz- und Einkommensteuerbescheide des zweiten Streitjahres richtete. Hinsichtlich der geänderten Bescheide des Vorjahres war die Klage unbegründet. Geben die festgestellten Lücken in der Buchführung Anlass zu berechtigtem Zweifel an der materiellen Richtigkeit der Aufzeichnungen, können sie der Besteuerung nicht zugrunde gelegt werden, so dass eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen erforderlich ist (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO, § 158 AO). Das FG München sah diese Voraussetzung für das erste Streitjahr als gegeben, weil hier Einnahmen und Ausgaben in nicht unbeträchtlicher Höhe nichtaufgezeichnet wurden. Die Buchführung konnte daher nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden. Die Erklärungsversuche für den Zahlungseingang überzeugten das Gericht nicht. Die notwendige Schätzung kann sich in einem solchen Fall an der Höhe des ungeklärten Geldzuflusses orientieren (vgl. BFH, Urteil v. 15.2.1989, X R 16/86, BStBl 1989 II S. 462). Bei den Aufzeichnungen des Folgejahres stellte der Betriebsprüfer keine Unregelmäßigkeiten fest, so dass die Vermutung der Richtigkeit der Buchführung nicht entkräftet wird. Die Aufzeichnungen des Folgejahres konnten damit der Besteuerung zugrunde gelegt werden (§ 158 AO), ein Schätzungsgrund fehlt (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Es bestehe auch keine Rechtsgrundlage für die Annahme, dass alle Einzahlungen auf Privatkonten, für die es an einem Buch- oder Nämlichkeitsnachweis fehle, als aus einkommensteuerpflichtigen Einkünften stammen.
Hinweis
Zu den besonderen Sachurteilsvoraussetzungen einer Anfechtungsklage gehört, dass der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO). Es fehlt an dieser Beschwer, wenn sich die Anfechtungsklage gegen einen Gewerbesteuermessbescheid richtet, der einen negativen Gewerbesteuermessbetrag ausweist. Durch einen solchen Nullbescheid wird der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt. Will der Berater mit seiner Klage erreichen, dass ein bestehender Gewerbeverlust nicht durch die Erhöhung des Gewerbeertrags teilweise aufgezehrt wird, muss er sich gegen die gesonderte Feststellung des Gewerbeverlustes wenden.
Link zur Entscheidung
FG München, Urteil vom 20.09.2002, 13 K 3142/99