Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Beschwer. Schätzungsbefugnis des Finanzamts bei Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung (hier: materielle Unrichtigkeit wegen mangelnder Vollständigkeit). Einkommensteuer 1992 zu Kläger 1. und 2.. Umsatzsteuer 1991, 1992 zu Kläger 1.. Gewerbesteuermessbetrag 1991, 1992 zu Kläger 1.
Leitsatz (redaktionell)
Eine Schätzungsbefugnis des Finanzamts nach § 162 Abs. 2 Satz 2 AO wegen Nichtordnungsmäßigkeit der Buchführung ist dann zu bejahen, wenn festgestellte Lücken zu berechtigten Zweifeln an der materiellen Richtigkeit (Vollständigkeit) der Aufzeichnungen Anlass geben.
Normenkette
FGO § 40 Abs. 2; AO § 162 Abs. 2 S. 2, § 158
Tenor
1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung werden der geänderte Einkommensteuerbescheid 1992 und der geänderte Umsatzsteuerbescheid 1992, jeweils vom 18. Juli 1998, dahingehend geändert, dass die Einkommensteuer 1992 auf 60.980 DM (= 31.178EUR) und die Umsatzsteuer auf 3.688 DM (= 1.885,60 EUR) herabgesetzt werden.
2. Die Kosten des Verfahrens tragen der Beklagte zu 7/10 und der Kläger zu 3/10.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für den Kläger vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten des Klägers die Vollstreckung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
Tatbestand
I.
Die Kläger sind seit 20. Februar 1988 verheiratet und wurden für die Streitjahr 1991, 1992 zusammen zur Einkommensteuer (ESt) veranlagt.
Der Kläger ist Geschäftsführer einer GmbH und betreibt als Einzelunternehmer einen Großhandel mit Baustoffen. Die Klägerin ist nicht berufstätig.
Nach den für die Jahre 1991 und 1992 eingereichten ESt-Erklärungen waren die Einkünfte allein dem Kläger zuzurechnen. Dies gilt auch für das Jahr 1990.
Im Einzelnen bezog der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte in Form einer Leibrente (über sehr gute Vermögensverhältnisse unterrichtet auch der Schriftsatz vom 15. September 1999 Seite 1 f.).
In der Zeit vom 11. Dezember 1995– 10. März 1998 fand bei den Klägern eine Betriebsprüfung (BP) für die Jahre 1989 bis einschließlich 1993 statt (Hinweis auf den BP-Bericht vom 30. April 1998).
Die BP führte u. a. zu folgenden Feststellungen:
Bisher nicht erklärte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit 1989–1993 i.H.v. 260.667 DM; sowie aus Kapitalvermögen für 1989–1993 i.H.v. 105.011,16 DM.
Hinsichtlich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ergab sich für 1991 eine Gewinnerhöhung von 12.829 DM und 1992 i.H.v. 17.500 DM.
Die Erhöhungen berechnen sich wie folgt:
Einnahmenerhöhung |
1991 |
1992 |
H., J. |
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Zahlung am 25.10.1991 |
6.615 DM |
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nicht aufgeklärte Zahlungseingänge |
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in bar R-Bank U. |
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vom 10.07.1991 |
10.000 DM |
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vom 12.11.1992 |
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17.500 DM |
Ausgabenerhöhung |
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Fa. M. Zahlung vom 30.10.1991 |
3.786 DM |
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12.829 DM |
17.500 DM |
Das Konto bei der R-Bank ist lt. Angabe des Prozessbevollmächtigten ein Privatkonto.
Die Einnahmenerhöhungen wurden gleichzeitig als nichtversteuerte Umsätze behandelt, die Umsatzsteuer (USt) 1991, 1992 entsprechend erhöht.
Außerdem wurden die Gewerbeerträge der Streitjahr zwar erhöht, die Gewerbesteuermessbeträge (GewStMB) blieben aber negativ.
Auf Tz. 3.02.1.1., 3.02.1.2., 4.1. und 6.1. des BP-Berichts wird verwiesen.
Das Finanzamt erließ entsprechend geänderte ESt-, USt- und GewStMB-Bescheide für die Streitjahre. Die Kläger legten dagegen Einspruch ein.
Im Einspruchsverfahren legte der Prozessbevollmächtigte eine eidesstattliche Versicherung der Klägerin vor, wonach sie dem Kläger Anfang Juli 1991 bzw. Anfang November 1992 die beiden Geldbeträge in bar übergeben habe (Bl. 13 FG-Akte). Ferner reichte er die Bestätigung eines in Österreich (Ö) ansässigen Rechtsanwalts ein, wonach er an die Klägerin und eine Miteigentümerin am 23. Dezember 1981 577.100 ATS für den Kauf einer dortigen Liegenschaft in bar ausgezahlt habe (Bl. 12 a FG-Akte). Die Miteigentümerin bestätigte in einem undatierten Schreiben (Bl. 14 FG-Akte), sie habe ihren Anteil am Grundstücksverkauf an die Klägerin abgetreten.
Für ESt 1991 wurde das Ruhen des Rechtsbehelfs angeordnet. Im Übrigen wies das Finanzamt die Einsprüche zurück (Einspruchsentscheidung –EE– vom 01. Juli 1999, Bl. 18–24 ESt-Akte „Einsprüche”).
Mit ihrer Klage tragen die Kläger im Wesentlichen vor, dass angesichts der erheblichen Einkünfte des Klägers ein Verschweigen gewerblicher Einkünfte durch den Kläger nicht anzunehmen sei. Beide strittigen Beträge erklärten sich durch Zuwendungen der Klägerin. Sie habe mehrfach Gelder durch Grundstücksverkäufe erhalten. Es sei bei derartigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen durchaus üblich, Geldbeträge dieser Größenordnung zu Hause aufzubewahren.
Die Kläger beantragen,
unter Aufhebung der EE vom 01. Juli 1999 den geänderten ESt-Bescheid 1992, die geänderten USt-Bescheide 1991 und 1992 sowie die geänderten GewStMB-Bescheide 1992 – allesamt vom 18. Juni 1998 – dahingehend zu ändern, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1992 um 17.500 DM er...