Leitsatz
Urenkeln steht jedenfalls dann lediglich der Freibetrag in Höhe von 100.000 € nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG zu, wenn Eltern und Großeltern noch nicht vorverstorben sind.
Normenkette
§ 15, § 16 ErbStG
Sachverhalt
Die Urgroßmutter der Antragsteller übertrug diesen im Jahr 2018 jeweils einen Miteigentumsanteil an einem Mietwohngrundstück. Ihrer Tochter (Großmutter der Antragsteller) bestellte sie hieran einen Nießbrauch auf Lebenszeit.
Das FA berücksichtigte bei der Festsetzung der Schenkungsteuer gegenüber den Antragstellern jeweils einen Freibetrag i.H.v. 100.000 EUR nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG. Die Einsprüche, mit denen sie den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.H.v. jeweils 200.000 EUR begehrten, wies das FA zurück. Über die dagegen erhobene Klage hat das FG noch nicht entschieden. Das FA und das FG lehnten den Antrag auf AdV ab (FG Düsseldorf, Beschluss vom 6.5.2020, 4 V 794/20 A (Erb)).
Entscheidung
Der BFH wies die Beschwerde der Antragsteller aus den in den Praxis-Hinweisen genannten Gründen als unbegründet zurück.
Hinweis
Der BFH befasst sich in der Besprechungsentscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren mit den schenkungsteuerrechtlichen Freibeträgen, die Urenkeln zustehen.
1. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel, dass für den Erwerb eines Urenkels jedenfalls dann lediglich ein Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG i.H.v. 100.000 EUR steuerfrei bleibt, wenn Angehörige der dazwischenliegenden Generationen noch am Leben sind.
a) Nach § 16 Abs. 1 ErbStG bleibt steuerfrei in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht der Erwerb der Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 und der Kinder verstorbener Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 i.H.v. 400.000 EUR (Nr. 2), der Erwerb der Kinder der Kinder i.S.d. Steuerklasse I Nr. 2 i.H.v. 200.000 EUR (Nr. 3) sowie der übrigen Personen der Steuerklasse I i.H.v. 100.000 EUR (Nr. 4). Nach § 15 Abs. 1 ErbStG gilt die Steuerklasse I u.a. für "die Kinder und Stiefkinder" (Nr. 2) sowie für "die Abkömmlinge der in Nummer 2 genannten Kinder und Stiefkinder" (Nr. 3).
b) Der Begriff "Kinder" in § 16 Abs. 1 ErbStG meint eindeutig nicht Kindeskinder oder weitere Abkömmlinge, sondern Kinder. Das gilt im Falle des § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auch für die doppelte Verwendung des Wortes "Kinder", sodass "Kinder der Kinder" ausschließlich die Enkel, nicht die Urenkel sind. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes.
Die Differenzierung in § 15 Abs. 1 Steuerklasse I ErbStG zwischen Nr. 2 (Kinder) und Nr. 3 (Abkömmlinge der in Nr. 2 genannten Kinder) zeigt, dass der Gesetzgeber den Begriff "Kinder" zielgenau eingesetzt hat. Meinte er sämtliche nachfolgenden Generationen in direkter Linie, hat er den Begriff der Abkömmlinge genutzt; meinte er lediglich die Kinder der Kinder, hat er dies so formuliert.
2. Die Frage, ob Urenkel, deren Eltern und Großeltern zum Zeitpunkt des Anfalls nicht mehr am Leben sind, den Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Anspruch nehmen können, stellte sich im Streitfall nicht. Der BFH neigt aber erkennbar zu einer Verneinung dieser Frage.
Link zur Entscheidung
BFH, Beschluss vom 27.7.2020 – II B 39/20 (AdV)