rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung des Geschäftsführers bei Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Mit der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters ohne Auferlegung eines allgemeinen Verfügungsverbotes verliert der Vorstand einer AG nicht die Leitung der AG. Der Vorstand haftet deshalb grundsätzlich für nach diesem Zeitpunkt anzumeldende und abzuführende Steuern
Normenkette
AO §§ 191, 69, 34; InsO § 22
Nachgehend
Tatbestand
Der Antragsteller (Ast.) wendet sich im Rahmen eines Eilverfahrens gegen seine Inanspruchnahme als Haftungsschuldner.
Der Ast. war seit dem 01. Dezember 1997 Vorstand der ... AG (AG). Der Ast. vertrat die Gesellschaft allein und war von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) befreit. Nachdem im Frühjahr 2001 Verhandlungen mit Investoren gescheitert waren, wurde auf Veranlassung der Sparkasse, der Hauptgeschäftsbank der AG, am 02. Juli 2001 ein Quick-Check bezüglich der wirtschaftlichen Lage der AG durchgeführt, bei dem festgestellt wurde, dass das Eigenkapital der AG aufgezehrt sowie Zahlungsunfähigkeit eingetreten sei. Aufgrund der Ergebnisse des Quick-Checks hat die Sparkasse keine Verfügungen über den Kontokorrentrahmen der AG mehr zugelassen. Daraufhin stellte der Ast. beim Amtsgericht am 01.August 2001 den Antrag, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG zu eröffnen.
Mit Beschluss vom 02. August 2001 ordnete das Amtsgericht in dem Insolvenzeröffnungsverfahren über das Vermögen AG zur Sicherung der künftigen Insolvenzmasse und zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß §§ 21 und 22 Insolvenzordnung (InsO) u.a. Folgendes an:
Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird A bestellt.
Verfügungen des Schuldners über Gegenstände aus dem Vermögen des Schuldners sind nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO).
Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, mit rechtlicher Wirkung für den Schuldner zu handeln, ist jedoch verpflichtet, diese Befugnis nur wahrzunehmen, soweit es zur Erfüllung der Aufgabe schon vor der Verfahrenseröffnung dringend erforderlich ist.
Den Drittschuldnern wird verboten, an den Schuldner zu zahlen. Der vorläufige Insolvenzverwalter wird ermächtigt, Bankguthaben und sonstige Forderungen des Schuldners einzuziehen, sowie eingehende Gelder entgegenzunehmen.
Die Drittschuldner werden aufgefordert, nur noch unter Beachtung dieser Anordnung zu leisten (§ 23 Abs. 1 Satz 3 InsO).ö
Das Insolvenzverfahren wurde am 01. Oktober 2001 eröffnet.
Die AG gab für die Voranmeldungszeiträume bis August 2001 Umsatzsteuervoranmeldungen ab. Die vor Insolvenzeröffnung entstandene Zahlungsverpflichtung für den Anmeldungszeitraum 07/2001 wurde von der AG nur noch teilweise erfüllt, es verblieb ein Rückstand von zunächst 53.793,88 €, die am 25. September 2001 fällig waren zuzüglich Säumniszuschlägen von 3.907,29 € (vgl. Bl. 49 der Haftungsakte).
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 hörte der Antragsgegner den Ast. im Rahmen der Haftungsprüfung an. Hierauf erfolgte keine Reaktion.
Mit Haftungsbescheid vom 15. Juli 2002 nahm der Antragsgegner den Ast. gemäß § 219 Abgabenordnung (AO) in Höhe von insgesamt 54.331,76 €, von denen 53.793,88 € Umsatzsteuerrückstände für 07/2001 und 537,88 € Säumniszuschläge darauf betrafen, auf Zahlung in Anspruch. Für die Ermittlung der Tilgungsquote hatte der Antragsgegner Unterlagen hinzugezogen, die im Rahmen einer Umsatzsteuersonderprüfung vorgelegt wurden (Summen- und Saldenlisten Mai und September 2001, Bl. 50 bis 59 der Haftungsakte). Der Antragsgegner ermittelte eine durchschnittliche Tilgungsquote von 55,47 %. Als Haftungszeitraum wurde in dem Haftungsbescheid vom 15. Juli 2002 der Zeitraum vom 31.Mai 2001 bis 30. September 2001 bezeichnet. Auf den Inhalt des Haftungsbescheides wird im Übrigen verwiesen.
Hiergegen legte der Ast. am 07. August 2002 Einspruch ein. Zur Begründung führte er aus, dass die Umsatzsteuer für den Monat Juli 2001 aufgrund der erteilten Dauerfristverlängerung erst zum 10. September 2001 fällig gewesen sei. Durch den Beschluss des Insolvenzgerichts vom 02. August 2001, wonach Verfügungen des Schuldners über Gegenstände aus dem Vermögen des Schuldners nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters hätten erfolgen dürfen, sei der Vorstand praktisch allein nicht mehr handlungsfähig gewesen. Zudem sei der Antragsgegner in seiner Ausfallquote durch die insolvent gewordene Gesellschaft wesentlich besser gestellt worden, als die vom Finanzamt (FA) im Rahmen der durchgeführten Ermittlungen selbst ermittelte durchschnittliche Tilgungsquote bezogen auf andere Gläubiger in Höhe von 55,47 %. Denn das FA habe Verrechnungen auf Umsatzsteuer 05 bis 07/2001 in Höhe von insgesamt 143.988,97 DM vorgenommen. Dieser Betrag entspreche 64,69 % der in dem Haftungszeitraum tatsächlich fällig gewesenen Gesamtsumme von 2...