Entscheidungsstichwort (Thema)
Berücksichtigung von Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO bei der ESt-Veranlagung als Einnahmen aus Kapitalvermögen
Leitsatz (amtlich)
Die Rechtmäßigkeit der Besteuerung im Veranlagungszeitraum 2009 zugeflossener Zinsen i.S.d. § 233a AO auf Einkommensteuererstattungen auf der Grundlage der mit dem JStG 2010 eingeführten und nach § 52a Abs. 8 Satz 2 EStG auf alle offenen Fälle anwendbaren Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG ist ernstlich zweifelhaft i.S.d. § 69 FGO (Anschluss an FG Düsseldorf Beschluss vom 05.09.2011 1 V 2325/11 A(E) und FG Münster Beschluss vom 27.10.2011 2 V 913/11 E; entgegen FG Münster Urteil vom 16.12.2010 5 K 3626/03 E und Schleswig-Holsteinisches FG Beschluss vom 01.06.2011 2 V 35/11).
Normenkette
AO § 233a; EStG 2009 § 12 Nr. 3, § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3, § 52a Abs. 8 S. 2; GG Art. 20 Abs. 3; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in der noch im Stadium des Einspruchsverfahrens befindlichen Hauptsache darüber, ob der Antragsgegner zu Recht zugeflossene Erstattungszinsen i.S.d. § 233a Abgabenordnung (AO) bei der Einkommensteuerveranlagung der Antragsteller (Ast) als Einnahmen aus Kapitalvermögen berücksichtigt hat.
Die Antragsteller (Ast) sind Eheleute und wurden im Streitjahr 2009 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Mit dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid vom 06. Juni 2011 setzte der Ag die Einkommensteuer für 2009 auf ... EUR fest. Dabei berücksichtigte er auf Einkommensteuererstattungen entfallende Zinsen i.S.d. § 233 a AO, die den Ast in Höhe von 10.344,00 EUR zugeflossen waren, als Einnahmen aus Kapitalvermögen. Auf diese Zinsen entfiel eine Einkommensteuer in Höhe von 2.529,00 EUR.
Dagegen legten die Ast am 06. Juli 2011 Einspruch ein. Zugleich beantragten sie, die Vollziehung des Bescheides im Hinblick auf die Erfassung der Erstattungszinsen bis zur Entscheidung über den Einspruch auszusetzen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juni 2010 VIII R 33/07 (BFHE 230, 109, BStBl II 2011, 503) gehörten Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen. Auch der mit dem Jahressteuergesetz (JStG) 2010 vom 08. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768) eingefügte § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ändere daran nichts. Außerdem stehe der Anwendung der Vorschrift auf das Streitjahr 2009 das verfassungsrechtlich gewährleistete Rückwirkungsverbot entgegen.
Der Ag gewährte die Aussetzung der Vollziehung (AdV) zunächst antragsgemäß. Eine Einspruchsentscheidung ist bislang nicht ergangen, das Verfahren ruht gem. § 363 Abs. 2 Satz 2 AO im Hinblick auf die bei dem BFH anhängigen Revisionsverfahren VIII R 36/10 und VIII R 1/11.
Unter dem 02. November 2011 befristete der Ag die bis dahin gewährte AdV bis zum 30. November 2011. Der angefochtene Bescheid entspreche der mit dem JStG 2010 geschaffenen Gesetzeslage, so dass keine ernstlichen Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestünden.
Mit ihrem Antrag vom 02. Dezember 2011 suchen die Ast nunmehr um vorläufigen Rechtsschutz bei dem Gericht nach. Es bestünden ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen und damit auch an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Wegen der Einzelheiten wird auf die Antragsschrift Bezug genommen.
Die Ast beantragen (sinngemäß),
die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides vom 06. Juni 2011 in Höhe eines Einkommensteuerbetrages von 2.529,00 EUR auszusetzen.
Der Ag beantragt,
den Antrag abzulehnen,
und beruft sich weiterhin auf die aktuelle Gesetzeslage.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die von den Beteiligten zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten.
Entscheidungsgründe
II.
Der zulässige Antrag ist auch begründet.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) erfüllt. Danach ist ein an das Gericht gerichteter AdV-Antrag nur zulässig, wenn zuvor die Finanzbehörde einen Antrag auf Aussetzung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das ist hier der Fall. Zum einen dürfte die bis zum 02. November 2011 erfolgte Befristung der gewährten AdV bis zum 30. November 2011 der Sache nach als Ablehnung unter Einräumung einer (Zahlungs-)Frist zu verstehen sein. Zum anderen beinhaltet die Gewährung der befristeten AdV jedenfalls eine Teilablehnung des weitergehenden AdV-Antrages.
2. Der Antrag ist auch begründet. Das Gericht der Hauptsache kann gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 FGO die Vollziehung eines Verwaltungsaktes ganz oder teilweise aussetzen; dabei gelten § 69 Abs. 2 Sätze 2 bis 6 und § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO sinngemäß. Die Vollziehung soll ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wen...